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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges
Autoren: Julie Peters
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Freundin ihm nicht das Bett wärmen konnte. Aber was wusste er schon. In den Augen dieses Mannes war er nur ein Wilder.
    «Vielleicht suche ich mir eine Frau», fuhr der Bwana fort. «Es wäre schön, eine zu haben. Aber hier draußen will ja keine vernünftige Frau leben. Zu viel Wildnis.»
    «Such dir eine, die nicht anders kann. Eine Hübsche, die froh ist, in die Wildnis zu dürfen», schlug Kinyua vor. So war er an seine dritte Frau gekommen. Ihre Familie war ausgelöscht, nur ein entfernter Onkel war noch da, der sie nicht als unnützen Esser in seiner Hütte haben wollte. Also hatte er sie Kinyua angeboten. Ihm gefielen ihr feuchter Mondkalbblick und ihre schweren Brüste. Sie war brav und dankbar, ihn nachts in ihrer Hütte begrüßen zu dürfen, und inzwischen hatte sie ihm schon zwei Söhne geschenkt.
    Eine gute Frau.
    Aber irgendwie ahnte er, dass die weißen Männer, die Wawingereza oder Engländer, wie sie sich selbst nannten – das Wort verknotete ihm Herz und Hirn –, ihre Entscheidung darüber, welche Frau die richtige für sie war, nicht nach diesen Kriterien trafen. Diese Männer waren so merkwürdig, dass Kinyua sogar vermutete, dass sie sich erst den schwächenden Gefühlen hingaben, bevor sie sich durch regelmäßigen Beischlaf stärkten.
    Bwana Winston lachte. «So leicht ist das nicht, Kinyua», meinte er.
    Natürlich nicht. Diese Weißen waren schon ein komischer Menschenschlag.
    «Ich bringe eine Ziege», sagte Kinyna. «Heute oder morgen.»
    Der Bwana sagte nicht, dass er die Ziege lieber heute oder morgen hier hätte. Er wusste, Kinyua hielt nichts von dem, was die Weißen so gerne trieben: ihre Lebenszeit in kleine Häppchen zu teilen, bis es nicht mehr ging, nur um dann zu klagen, dass diese winzigen Häppchen allzu schnell verflogen.
    Kinyua rechnete in Regenzeiten. Das reichte vollkommen aus.
    Er drehte sich um und ging. Den kurzen Rasen überquerte er, gerade weil er wusste, wie sehr Bwana Winston es hasste, wenn er darüberging.
    Er trat in den Wald. Der Bwana hatte sein Land klug gewählt. Es lag am Rand der Savanne, dort, wo die Landschaft in die gebirgigen Ausläufer des Kere-Nyaga überging. Fruchtbare Böden und viel Regen, wenn denn Regen kam. Gutes Land. Roter, lehmiger Boden, der die Teepflanzen hoch wachsen ließ. Die silbrigen Blätter, die sich langsam im Morgentau entrollten, waren zart und versprachen viel.
    Einst hatte das Land seinen Vorfahren gehört. Doch dann war der weiße Mann gekommen und hatte sich das Land genommen, als habe es ihm schon immer gehört. Aber das konnte nicht sein, denn niemand erzählte Geschichten von den Weißen, nicht einmal die ganz Alten.

[zur Inhaltsübersicht]
1 . Kapitel
    Am schlimmsten waren die Nächte, in denen sie keinen Schlaf fand. Wenn sie sich stundenlang von einer Seite auf die andere wälzte, wenn sie in die Dunkelheit lauschte und glaubte, die Rufe zu hören.
    Wenn sie fürchtete, verrückt zu werden.
    Anfangs hatte sie geglaubt, das würde vergehen wie ein hartnäckiger Schnupfen oder der Sommer. Sie hatte wirklich gedacht, es würde irgendwann nicht mehr so schlimm sein. Dass die Zeit sie trösten würde, dass sie voranschreiten durfte auf dem Weg, den sie für sich gewählt hatte.
    Aber dann kam der Brief aus Deutschland, unpersönlich und knapp. Der Inhalt hätte sie nicht überraschen dürfen, aber die Worte empfand sie als Ungerechtigkeit, der sie sich nur widerwillig beugte. Sie hatte bis zu dem Moment noch glauben wollen, dass es nicht so schlimm sei. Dass sich alles wieder einrenken würde.
    Kurz darauf kam niemand mehr ins Haus ihrer Eltern, fast als wüssten die Leute von Southwold, was in dem Brief stand. Sie war geächtet, und mit ihr die ganze Familie. Niemand lud sie mehr zu den Teepartys ein, und wenn Audrey allein über die Straße ging, wandten sich die Leute ab und taten, als kannten sie sie nicht.
    Ihre Eltern wurden ebenso gestraft wie ihre jüngeren Geschwister, und ihr älterer Bruder John schrieb aus Oxford, ihm erginge es nicht anders, seit die Geschichte bekannt geworden war. Die Leute redeten, und für sie trug allein Audrey die Schuld am Unglück ihrer Familie.
    Sie war an allem schuld, und das ließ sie nachts nicht mehr schlafen.
    Das und die Erinnerung an ihr Verbrechen.
    In dieser Nacht im September stand sie schließlich auf. Der Himmel verlor im Osten bereits alle Farbe und wurde zu lichtem Grau, überzogen von einem rosigen Hauch. Schon bald ging die Sonne auf und vertrieb mit ihren
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