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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges
Autoren: Julie Peters
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er.
    «Ihr habt schöne Ziegen», sagte Bwana Winston. «Viele Ziegen.» Er nickte bekräftigend. «Sie geben gute Milch.»
    «Diese Ziegen sind krank», entgegnete Kinyua und blieb stehen. «Sie fressen nicht, und ihnen tun die Füße weh.»
    Bwana Winston überlegte. «Dann soll wohl unser Verwalter sich die Tiere ansehen?» Bwana Randolph kannte sich mit Ziegen aus. Er kannte sich mit allen Tieren aus.
    «Er darf nicht in unser Dorf», versetzte Kinyua.
    Bwana Winston seufzte. «Kinyua. Wie lange kennen wir uns nun?»
    «Du bist vor acht großen Regenzeiten hergekommen.»
    «Acht Jahre, genau. Und jedes Mal, wenn eines eurer Tiere krank wird, schicke ich euch Mr. Randolph.»
    «Und jedes Mal kam danach eine Krankheit über ein Kind, oder eine Frau war mit einem Wechselbalg schwanger, das so bleich aus ihrem Schoß gekrochen kam, dass es von dem Weißen besessen sein musste.»
    Der Bwana lächelte. «Du hast schon sehr christliche Ansichten, dafür, dass du unseren Missionar verjagt hast, Kinyua.»
    Davon wollte Kinyua nichts hören. Der Missionar, den Bwana Winston ins Dorf geschickt hatte, war ein Verrückter und hatte keine Ahnung. Er hatte von Ngai erzählt, dem Einen Gott, aber dann hatte er behauptet, er sei gar nicht verheiratet gewesen mit Mumbi, und neun Töchter habe er auch nicht gehabt, sondern nur einen Sohn, der Wasser in Wein verwandeln konnte. Ein Gottessohn, der ein saures, berauschendes Getränk herstellte, obwohl sie hier vor allem genug Wasser benötigten, um die Felder zu bestellen? Das war doch verrückt!
    «Er kommt nicht in unser Dorf. Ich bringe eine Ziege her, und er sagt, was wir tun müssen.»
    Bwana Winston widersprach nicht. Er wusste um Kinyuas Macht. Auf Kinyua hörten sogar die Ältesten, sie lauschten andächtig seinen Worten, weil er der muramati war.
    Als muramati oblag ihm die Verantwortung, für die Menschen seines Dorfs im Diesseits zu sorgen. Er teilte das Land zu, und zu ihm kamen die Leute, wenn sie einen Zwist hatten. Meist versuchte Kinyua zu vermitteln. Wenn das nicht gelang, schickte er sie zum mondo mogo, der für Gerichtsverfahren und Geisterbeschwörungen ebenso zuständig war wie für die Heilung von Krankheiten. War ein Streitfall zu schwierig, wurde er vor den Ältestenrat gebracht und dort verhandelt.
    Kinyua war nicht freiwillig hier. Die Ältesten hatten ihn gegen seinen Willen hergeschickt. Wenn Kinyua das Sagen gehabt hätte im mbari, hätte er den anderen gesagt, dass die Krankheit der Ziegen eine Strafe Ngais war, weil sie für die Weißen arbeiteten. Denn seit die Wazungu, die weißen Männer, in dieses Gebiet vorgedrungen waren, wurden Kühe und Ziegen, Frauen und Kinder krank und starben.
    Aber vielleicht war es ja Ngais Wille und der seiner Vorfahren, dass er mit dem Bwana über Ziegen redete und darüber, dass dessen Verwalter die Finger nicht von den Frauen seines Stammes lassen konnte.
    Kinyua blieb stehen und beobachtete den Bwana. Der lehnte lässig gegen einen Pfeiler, der das tiefe Dach der Veranda trug, und zündete sich eine Zigarette an.
    «Du bist einsam,
Bwana
Winston.»
    Er musterte Kinyua erstaunt. «Was weißt du über Einsamkeit?»
    «Ich habe drei Frauen. Mit drei Frauen ist man sehr einsam. Meist sind sie sich einig.»
    Und außerdem hatten sie immer zur selben Zeit ihren Mondfluss, aber davon verstanden die Weißen nichts. Bei ihnen war alles so rein und sauber. Wahrscheinlich gab es etwas so Unreines bei ihnen gar nicht.
    «Mit einer Frau wäre ich also weniger einsam?»
    «Nachts hättest du es schön warm. Und es ist gut für dich. Für deinen Körper.»
    Bisher hatte er nur eine weiße Frau gesehen. Und die hatte ein Kleid getragen, das so hell war, dass es aussah wie der Schnee auf dem Kere-Nyaga. Mythisch und geheimnisvoll wie der Schnee, den kaum jemand aus seinem Volk je aus der Nähe betrachtet, geschweige denn berührt hatte.
    Er fragte sich, ob die Kleider der Weißen wohl auch so kalt waren wie der Schnee. Ob sie darin froren?
    Der Bwana lachte. «Tja, ich hab keine Frau. Aber einsam, nein, ich würde mich nicht als einsam bezeichnen.» Er schüttelte den Kopf.
    Kinyua musterte ihn überrascht. «Aber was ist mit der Memsahib, die alle paar Wochen zu Besuch kommt?», fragte er. «Ich dachte, sie wärmt dich.»
    Bwana Winston pflückte sich einen Tabakkrümel von der Zunge. Lächelte er? Ja, er lächelte. «Die Memsahib wärmt mir nicht das Lager. Sie ist eine gute Freundin.»
    Kinyua verstand zwar nicht, warum eine
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