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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße
Autoren: Brian Keene
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Rest hundertprozentig den Mut verlieren.«
    »Vielleicht auch nicht«, gab ich zu bedenken. »Sie könnten inzwischen völlig außer Kontrolle sein.«
    »Tja, das Risiko würde ich eingehen.«
    Bevor wir ihm antworten konnten, verstärkte Anna ihr Gebrüll.

    »Gott hat den Rest der Welt gestraft, doch uns hat er eine zweite Chance gegeben. Wir müssen Gott ehren. Wir müssen seinem Gesetz folgen, damit die Finsternis sich lichtet und wir den Planeten neu bevölkern können wie einst Noah und seine Familie. Wir müssen tun, was der Herr uns befiehlt. Und sein Wort sagt klipp und klar, wie man mit Hexen verfahren soll.«
    »Oh, nein«, keuchte Russ. »Zur Hölle, nein …«
    T füllte eine Zwei-Liter-Wasserflasche mit Benzin und schleuderte sie in eine der brennenden Tonnen. Die Flammen züngelten sofort hoch auf, bis über den Rand. Dann ließ der Fahrer des Abschleppwagens den Motor an und fuhr langsam zurück, bis Dez sich über der Tonne befand. Dort hing er dann und begann schrill zu kreischen, als die Flammen an seinen Füßen leckten. Sie ließen ihn langsam ins Feuer hinab. Die Flammen rasten über seine Hose und griffen auf sein Hemd über. Dann auf seine Haare. Das alles geschah viel schneller, als ich erwartet hatte. Rückblickend frage ich mich, ob sie ihn vorher vielleicht mit Benzin übergossen hatten. Obwohl sich die Flammen so schnell ausbreiteten, dauerte es eine Ewigkeit, bis er starb. Die Gummisohlen seiner Schuhe schmolzen und tropften ins Feuer. Seine Haut zischte und qualmte. Seine Augäpfel begannen zu brodeln und verdampften in ihren Höhlen.
    Dez’ Schreie hallten lange durch die Nacht.
    Der Gestank hielt sogar noch länger an.
    In keiner Sekunde dachte ich auch nur daran, ihm zu helfen. Das tat wohl keiner von uns, außer Cranston, als er anbot, die Waffen zu holen – und das entsprang mehr
seinem Selbsterhaltungstrieb als dem Wunsch, Dez zu helfen. Russ und Christy dachten vielleicht darüber nach, aber falls es so war, sagten sie nichts davon. Vielleicht habt ihr jetzt ein schlechtes Bild von mir, aber das ist mir egal. Ich bin es leid, zu versuchen, den Menschen zu helfen. Es hat keinen Sinn. Ich meine, was bringt es denn, ein Held zu sein, wenn es niemanden mehr gibt, den man retten könnte? Sicher, ich hätte ihm das Leben retten und mich damit dafür revanchieren können, dass er meins gerettet hatte, aber wozu? Damit er hier in Walden langsam verhungerte?
    Vielleicht habe ich ihm dadurch, dass ich nichts tat, einen Gefallen getan.
    Oder vielleicht war das auch einfach nur die Dunkelheit, die an meinem Geist nagte und versuchte, mich dazu zu bringen, an den Stadtrand zu gehen und mich in ihre hungrigen Arme zu stürzen.
    Ich weiß das alles. Ich bereute es, dass wir Cranston davon abgehalten hatten, die Waffen zu holen. Wir hätten Dez’ Qualen mit einem Schuss ein Ende machen können.
    Die Menge jubelte und lachte. Die Leute blieben stehen, bis Dez nur noch ein qualmendes Skelett war. Dann zerstreuten sie sich langsam, wobei sie schwatzten und plauderten, als hätten sie gerade ein Footballspiel an der Highschool oder einen Kinofilm gesehen. Wir rechneten fest damit, dass sie in dieser Nacht noch unser Haus stürmen würden, aber es geschah nichts. Vielleicht hatte Dez’ Tod ihren Blutdurst gestillt, oder sie glaubten ernsthaft daran, dass die Dunkelheit verschwinden würde, sobald er nicht mehr lebte.

    Natürlich verschwand die Dunkelheit nicht, und nachdem sie Dez umgebracht hatten, wurde der Mob sogar mutiger. Die Meute, die rund um unser Haus herumlungert, ist seitdem größer geworden. Jedes Mal, wenn ich aus dem Fenster sehe, sind da unten mehr von ihnen und hören T, Mario und Anna zu. Es ist keine solche Menschenmenge wie bei der Verbrennung von Dez, aber sie bilden eine feste Gruppe von treuen Anhängern, die gar nicht mehr nach Hause zu gehen scheinen. Ich habe darüber nachgedacht und glaube, dass Cranston Recht hatte. Vielleicht sollte ich wirklich vom Dach aus gezielt auf einen von ihnen schießen. Aber gleichzeitig befürchte ich, dass ein erfolgreicher Schuss dieselbe Wirkung hätte wie ein Streichholz an einem Haufen benzingetränkter Lumpen. Außerdem sagt Russ immer, dass wir unsere Munition nicht verschwenden dürfen.
    Wie es aussieht, werden wir sie bei dem, was als Nächstes kommt, noch brauchen.
    Cranston wurde zum Verräter, noch bevor das Feuer, das Dez verbrannt hatte, erloschen war. Vielleicht war das alles zu viel für ihn. Ich weiß es nicht. Wir hatten
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