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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße
Autoren: Brian Keene
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EINS
    A m Anfang …
    So fangen Geschichten doch immer an, oder? Am Anfang? Ich schätze mal, dann sollte meine auch so anfangen.
    Am Anfang war das Wort. Das weiß ich, weil die Bibel es mir verrät. Die Bibel verrät mir eine Menge Dinge: dass Jesus mich liebt, man Hexen nicht leben lassen soll und am Anfang das Wort war.
    Worte haben Macht. Genau wie Namen.
    Das klingt vielleicht, als würde ich nur irres Zeug schwafeln, aber das ist wichtig, also merkt es euch. Namen. Worte. Hexen. Wenn mir genug Zeit bleibt, werde ich auf all das später zurückkommen. Und wer weiß? Vielleicht rettet es sogar euer Leben. Vor einem Monat hätte ich das noch nicht geglaubt, aber jetzt schon. Die Dinge haben sich geändert.
    Mein Name ist Robbie Higgins. So. Jetzt habt ihr Macht über mich. Meine Freunde nennen mich Rob oder Robbie. Die Bullen, meine Lehrer und alle anderen, die mich schikaniert haben, nennen mich Robert.
    Egal, jedenfalls war am Anfang das Wort, und es existierte ganz allein in der Dunkelheit. Davon berichtet die Bibel ebenfalls – von der Dunkelheit. Sie war das vollständige,
allumfassende Fehlen von Licht – eine Dunkelheit, die so tief und undurchdringlich war, dass einem die Augen schmerzten. Eine schwere Dunkelheit. Drückend. Zumindest stelle ich sie mir so vor. Ich meine, wenn ich eine Inspiration brauche, kann ich einfach aus dem Fenster schauen und dort die Dunkelheit verdammt deutlich vor mir sehen. Ich kann zwar nicht viel anderes sehen, aber die Dunkelheit sehe ich.
    Wenn man nach der Bibel geht, ist das alles folgendermaßen abgelaufen: Da waren das Wort und die Dunkelheit und sonst nicht viel. Die beiden hängen quasi zusammen rum. Wort und Dunkelheit chillen zusammen in der großen Leere. Und dann sagt das Wort: »Es werde Licht«, und es geschah. Danach ging es größtenteils ganz gut weiter.
    Und dann kommt Tausende von Jahren später irgendein Arschloch daher und versaut alles. Jemand anders sagt wieder etwas, entweder was Schlimmes oder einfach was anderes wie: »Es werde wieder Dunkelheit«, und kehrt damit den gesamten Akt der Schöpfung um – löscht das Licht aus. Nein, er löscht es nicht einfach aus. Er vernichtet es. Das verdammte Licht ist weg, Mann. Licht existiert einfach nicht mehr.
    Und wer weiß? Vielleicht existieren wir ja auch nicht mehr.
    Christy behauptet, wir wären alle tot. Das ist ihre Theorie. Sie meint, das würde alles erklären – warum die Telefone nicht funktionieren, warum es keine Elektrizität gibt, keinen Kontakt zur Außenwelt, weder Fernsehen noch Radio, warum wir da draußen nichts außer
    Dunkelheit sehen können und – was am allerwichtigsten ist – warum niemand von außerhalb in die Stadt gekommen ist, seit das alles angefangen hat, und warum keiner, der in die Dunkelheit hinausgegangen ist, zurückgekehrt ist. Christy sagt, wir wären alle tot und das hier sei eine Art Vorhölle. Das Fegefeuer. Wir können nicht weiterziehen in den Himmel oder die Hölle, weil wir hier gefangen sind. Gestrandet. Laut Christy ist das der Grund, warum Geister immer an den Orten rumhängen, wo sie gestorben sind – weil die Dunkelheit sie daran hindert, zu verschwinden.
    Das Problem bei der Sache ist nur, dass Christy ziemlich viele Drogen nimmt – oder zumindest genommen hat, bis sie ihr ausgegangen sind –, was ihre Schlussfolgerungen leicht fragwürdig erscheinen lässt. Versteht mich nicht falsch, sie hat nie hartes Zeug genommen. Kein Heroin oder Meth oder so etwas. Sie hat nur immer gerne Gras geraucht und sich hin und wieder mal eine Linie Koks oder eine Ecstasypille reingezogen. Genau wie ich, wenn ich ehrlich sein soll. Worauf ich hinauswill: Logisches Denken ist nicht gerade Christys Stärke. Aber ich liebe sie trotzdem – nicht nur, weil sie geile Titten hat. Vor der Dunkelheit hat sie es geschafft, mich jeden Tag zum Lachen zu bringen. Sie hat mich glücklich gemacht. Und bei Typen wie mir ist das Gefühl, glücklich zu sein, eine seltene Angelegenheit.
    Christy liegt falsch. Wir sind nicht tot. Das weiß ich, weil tote Menschen nicht sterben. Und jeder einzelne Mensch, der die Stadt verlassen hat, seit sich die Dunkelheit auf uns herabgesenkt hat, jeder Einzelne von uns,
der sich in dieses schwarze Loch hinausgewagt hat, war am Ende tot. Man kann nicht sterben, wenn man schon tot ist. Das bedeutet also, dass sie nicht tot und auch keine Geister waren. Sie sind nicht gestorben oder zu Geistern geworden, bevor sie die Stadt verlassen haben. Erst
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