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Am Ende der Straße

Am Ende der Straße

Titel: Am Ende der Straße
Autoren: Brian Keene
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einer Person nicht erklären können, schreiben wir sie dem Bösen zu. Aber diese ganze Scheiße, die losbrach, nachdem die Dunkelheit gekommen war – es wäre zu einfach, das böse zu nennen. Es war brutal und unzivilisiert, aber es war nicht böse. Es war einfach menschlich. Gefällt euch das? Ziemlich clever, auch wenn es von mir kommt. Verdammter Galgenhumor.
    Aber es ist wahr. Die Vergewaltigungen, Morde und Brandanschläge und alles andere, was passiert ist, seit die Dunkelheit kam – das waren einfach nur Menschen, die sich verhielten wie Menschen. Die Leute entwickelten sich zurück zu Archetypen, sie wurden primitiv. Verfielen wieder in das Verhalten, das wir zeigten, als wir noch Angst vor der Dunkelheit hatten. Es passierte nicht sofort. Erstmal waren wir alle zu verängstigt, und außerdem hatten wir noch Hoffnung. Aber nach der ersten, langen Nacht, als die Hoffnung starb und wir nichts mehr hatten außer der Angst, ging es rapide bergab.
    Ich kann euch nicht sagen, was die anderen alle gemacht
haben, denn ich kenne ihre Geschichten nicht. Ich kann euch nur erzählen, was mit uns passiert ist. Was wir persönlich gesehen, gehört und erlebt haben.
    Am Anfang.
    An diesem Morgen ging ich spät ins Bett – so gegen drei –, weil ich völlig in mein Videospiel versunken war. Christy saß im Wohnzimmer, schaute Nachrichten und aß Cornflakes. Sie hatte gerade Gras geraucht. Ich weiß noch, wie der Geruch vom Rauch aus ihrer Bong zusammen mit dem gedämpften Fernsehton unter der geschlossenen Tür hindurch ins Schlafzimmer drang. Einer der Nachrichtensprecher faselte etwas über zehn neue Modehighlights oder irgend so einen Mist, und ich fragte mich, was das in den Nachrichten zu suchen hatte. Dann schlief ich ein.
    Ein paar Stunden später weckte Christy mich auf. Ich war verschlafen und grummelig und brauchte eine Weile, um die Augen aufzukriegen. Sie schüttelte mich immer weiter und bestand darauf, dass ich aufstehen müsse. Als ich es schließlich schaffte, die Lider hochzuziehen, war ich ziemlich schnell voll da. Etwas an Christys Ton beunruhigte mich. Sie klang besorgt. Nicht verängstigt. Die Angst kam erst später. Aber irgendetwas machte ihr eindeutig Sorgen.
    Ich setzte mich auf und rieb mir die verquollenen Augen. »Was ist los?«
    »Draußen«, sagte sie atemlos. »Das musst du sehen.«
    »Was denn?«
    »Beeil dich!« Sie sprang auf und rannte aus dem Zimmer.

    Gähnend stieg ich aus dem Bett und kratzte mich an den Eiern. Ich hörte draußen ein paar Autos hupen und besorgte, laute Stimmen, aber keinen Alarm oder Sirenen oder so. Ich schnüffelte, bemerkte aber keinen Rauch.
    »Ich hoffe bloß, das ist es wert, Christy.«
    Sie antwortete nicht.
    Unsere Wohnung im ersten Stock ist ziemlich klein, und zwischen dem Bett und dem Kleiderschrank ist nicht gerade viel Platz. Ich knallte mit der Hüfte gegen die Kante vom Schrank und fluchte. Ich hasste dieses verdammte Ding. Tastend suchte ich nach dem Schalter der Lampe und schmiss dabei eine leere Bierflasche, eine angebrochene Münzrolle und Christys Räucherstäbchenhalter runter. Die Münzen fielen klimpernd zu Boden, und die Flasche landete klirrend an der Wand. Ich fand und drückte den Schalter, aber nichts geschah. Dann bemerkte ich die Digitaluhr auf dem Nachttisch. Sie war dunkel. Sie blinkte nicht, sondern zeigte gar nichts an. Der Strom war weg. Ich überlegte mir, dass wahrscheinlich vor dem Haus ein Auto gegen einen Strommast gefahren war oder so.
    Ich zog eine Trainingshose aus dem Wäschekorb. Christy hatte ein nasses Handtuch auf sie draufgeschmissen. Sie war feucht und roch muffig, aber ich zog sie trotzdem an, weil sie sauberer war als alles andere in dieser Wohnung. Der Gang in den Waschsalon war längst überfällig. Daran erinnere ich mich noch so gut, weil wir keine Gelegenheit mehr dazu bekamen. Seitdem haben wir ein paarmal Wäsche gewaschen – mit Spülmittel und einem Eimer Wasser aus dem Teich hinter der Feuerwache.
Aber der Teich trocknet langsam aus, und das letzte Wasser ist inzwischen abgestanden und stinkt wie ein offener Kanal. Seit die Dunkelheit kam, hat es nicht mehr geregnet. Über dem Teich schweben dicke Wolken von Moskitos, und grüner Schleim bedeckt die Wasseroberfläche. Dreckige Klamotten sind inzwischen die bessere Alternative – zumindest für diejenigen von uns, die nicht nackt und heulend durch die Straßen rennen, was einige sich angewöhnt haben.
    Barfuß schlurfte ich in unser winziges
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