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Am Ende der Angst

Am Ende der Angst

Titel: Am Ende der Angst
Autoren: Martin Johannson
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ertönte wieder Lachen. Aber das andere war eindeutig Musik. War das der richtige Zeitpunkt?
    Sie hielt die Decke fest um ihren Körper geschlungen, dann ging sie vorsichtig zur offenen Tür und lugte hinaus. Der Gang lag still und finster. Niemand war zu sehen. Lautlos machte sie einen Schritt auf das Fenster am Ende des Ganges zu, von dem sie einen frischen Luftzug spüren konnte. Es schien tatsächlich offen zu sein.
    Im Gang konnte sie die Musik deutlicher hören. Das Lachen war verstummt. Sie musste fliehen. Jetzt oder nie.
    Mit nackten Füßen schlich sie über die eisigen Fliesen auf das Fenster zu. Die Scheibe war zerbrochen, auf der einen Seite war sie notdürftig mit einer Plane zugeklebt, auf der anderen klaffte ein Loch, das ins Freie führte.
    Mit laut klopfendem Herzen stieg die Frau durch das Fenster. Es befand sich nur knapp über dem Boden, sie musste nicht einmal auf die Erde springen, um ins Freie zu gelangen.
    Hastig sah sie sich um. Sie befand sich mitten im Wald. Die Bäume ragten wie riesige Gestalten vor ihr in den dunklen Nachthimmel. Das Mondlicht malte einen schwachen Pfad durch das Geäst auf den Waldboden. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Sie hatten ihr die Augen verbunden, als sie sie hergebracht hatten. Sie wusste auch nicht, in welche Richtung sie sich wenden musste, um in Sicherheit zu gelangen. Doch es blieb keine Zeit, lange darüber nachzudenken. Hinter ihr erlosch das Licht in einem der Fenster. Sie musste sich beeilen! Schnell! Irgendeine Richtung, Hauptsache, weg von hier!
    Sie begann zu laufen. Kleine Zweige knackten unter ihren Füßen. Erschrocken zuckte sie bei dem Geräusch zusammen. Hoffentlich hatten sie das nicht gehört! Sie drehte sich zum Haus um, das still und finster hinter ihr lag. Nichts rührte sich.
    Schnell lief sie weiter. Steine, Dornen und Zweige stachen in ihre nackten Füße, doch sie durfte nicht stehenbleiben. Sie musste laufen, so schnell sie konnte. Über ihr rauschte der Wind in den Baumwipfeln, einzelne Blätter reflektierten das Mondlicht und schimmerten wie der Schein von Taschenlampen. Sie musste laufen, ohne sich umzudrehen, ohne anzuhalten, um Luft zu holen. Bis sie irgendwann in Sicherheit war und das Haus hinter ihr lag wie ein böser Albtraum.

Von wegen Feierabend
     
    Dass es sich bei dem Kerl vor uns um einen Einbrecher handeln musste, erkannten wir sofort, sogar ohne Brille und bei einbrechender Dunkelheit. Er trug eine ausgebeulte blaue Hose und eine Windjacke in Übergröße. Die Mütze auf seinem Kopf verbarg seine dunklen Haare. Er bewegte sich mit der unauffälligen Aufmerksamkeit, die Taschendiebe, Autoknacker und Einbrecher gemeinsam haben und die dem geübten Auge schon vom Weitem entgegen schrie: Ich habe krumme Dinge vor. Der Kerl ging auffällig unauffällig den Fußweg entlang, um an einer Hauseinfahrt, in der sich kein Auto befand, einzubiegen. Er sah sich noch unauffälliger nach allen Seiten um, bevor er hinter der Hecke verschwand. Er bemerkte unseren SUV, in dem wir saßen und die Straße beobachteten, nicht. Anfänger.
    »Was meinst du: Mexikaner? Puerto Ricaner?«, fragte Samuel, mein Partner. Er war groß und kräftig, aber eine Handbreit kleiner als ich. Sein kurzes, straßenköterbraunes Haar dünnte immer mehr aus, was er jedoch gelassen hinnahm. Dafür schnitt er es jeden Monat noch etwas kürzer und hatte schon angekündigt, nach dem Überschreiten der kritischen Verlustmenge, die seiner Meinung nach bei einem Drittel lag, den Kopf radikal kahl scheren zu wollen. Dieser Tag konnte jederzeit anbrechen: Meiner Meinung nach war die kritische Verlustmenge bereits erreicht, aber das sagte ich ihm lieber nicht.
    »Albaner«, antwortete ich. Südosteuropäer erkannte ich noch schneller als Einbrecher. Ein Überbleibsel meiner Karriere, bevor ich bei dem Sicherheitsdienst anfing.
    »Warten wir, bis er wieder rauskommt oder schlagen wir gleich zu?«
    Ich sah auf die Uhr. Es war kurz vor sieben. Feierabendzeit. »Wenn du es mit mir tun willst, musst du dich beeilen. Ich bin nur noch fünf Minuten im Dienst. Danach müsstest du dich mit meiner Ablösung begnügen.«
    »Wer ist das heute?«
    »Ronald.«
    Samuel strich sich durch sein kurzes Haar und nickte. »Dann machen wir es sofort. Ronald wird noch den ganzen Abend gut zu tun haben.«
    Ich wusste, warum Sam nicht gern mit Ronald zusammenarbeitete. Er war nicht so professionell wie ich. Einen Kopf kleiner, dünner und mit einer Vergangenheit als
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