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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen
Autoren: Andreas Giebel
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wenn nicht hier, dann irgendwo.«
     
    Dann stieg Puschkin tatsächlich in den Bus zu diesen sechzig älteren Damen, er verweilte noch einen Moment in der Tür und rief hinein:
     
    »An die Ruder, Gefährtinnen, auf nach Ithaka!!«
     
    Man sah durch die Scheiben hindurch das Leuchten in Puschkins Augen, als er durch das Grau hindurchmarschierte. Bis ganz nach hinten, auf den letzten Platz, Nummer 52. Er setzte sich, lächelte eine Dame neben sich an, und weg war er.
     
    Hinter dem Bus tauchte der Achter auf: »Jetzt war ich grad die Inge Meysel, habt’s fei schon gemerkt.«
     
    Er war nicht nur Inge Meysel, er war auch noch Gustav Heinz Strümpel, jener Bildhauer aus der Pinakothek der Moderne. Und damit war er endlich ein echter Achter, wie er immer genannt wurde. Da muss in ihm ein Knoten geplatzt sein, denn seit der Zeit kann man sich mit dem Achter am Stehtisch auf dem Viktualienmarkt bestens unterhalten. Angenehme Gespräche mit Niveau, Anspruch, Humor, Hintergrund und dem ganzen anderen Zeug. Nicht nur zu dritt, auch zu zweit, und das ist wichtig, weil Placebo immer öfters auf einer Parkbank neben einer 25-Jährigen sitzt. Sie scheint sich an ihn gewöhnt zu haben. Eine Parkbankbeziehung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und dem Elmar geht’s so weit wieder ganz gut. Er humpelt noch etwas, musste irgendwann aus dem Klinikum Großhadern flüchten. Zu viele junge dynamische Spezialisten. Aber er hat wieder Mut gefasst, denn er hat eine Lehrstelle angetreten, eine Fachausbildung in der Schraubenzentrale.
     
    Und ich habe seitdem oft über den Buchtitel nachgedacht. Um was geht’s eigentlich? Das Schönste steht am Schluss: Er stieg in den Bus, ging bis ganz hinten durch und setzte sich auf Platz 52. Da lernte er eine Frau kennen, ihr Name war Elfriede, er nannte sie Penelope.
     

Zurück zum Straßenfest
     

Wenn Mütter jubeln
     
    Bis man hier mal zum Nachdenken kommt. Aber mit dem Ranftl Sepp an meiner Seite klappt’s ganz gut. Er nuschelt vor sich hin, und ich gebe Antworten. Er singt, spielt, manchmal summt er auch nur. Ich ertappe mich beiläufig beim Mitsummen. Kinder laufen lachend und quietschend um die Tische. All das stört mich seltsamerweise nicht. Es ist eine Geräuschkulisse, die mich eher beflügelt. Vergangenes erfüllt meine Gedanken. Ein fast angenehmer Zustand. Aber man muss seinen Platz erst einmal finden. Vorhin saß ich noch auf der anderen Seite des Garagenvorplatzes auf einer Bank neben dem Mütterstammtisch. Zu nah, um wegzuhören. Drei Mütter, drei Schulen: Montessori, Waldorf, städtisch.
     
    Erste Mutter: »Also ich bin ja mit dem Kevin so zufrieden, der hat sich wirklich entwickelt. Letztes Jahr noch die Probleme, das hab ich euch ja erzählt, mit dem Logopäden und all das, da hab ich mir schon gedacht, ob das … nun gut aber jetzt, dieses Jahr, da hat der einen Schub gemacht, also nach vorne, da hat der einen solchen Schub gemacht, die Frau Deuxel-Kobold, also die Lehrerin, meinte, natürlich spaßhaft, wenn der so weitermacht, dann kann er sie das eine oder andere Mal durchaus vertreten, hihihi!«
     
    Dritte Mutter: »Ja, und dem Leon geht’s jetzt auch besser in der Klasse, der hat doch jetzt die neue Klassenlehrerin, mit der alten vom letzten Jahr konnte er ja überhaupt nicht, ich meine, dass er ein Zappelphilipp ist, weiß man ja, aber die konnte damit überhaupt nicht umgehen, aber die Neue hat eine ganz andere Art, die strahlt da was in die Klasse aus, die Klasse strahlt zurück, und Leon macht auch mit!«
     
    Meint die zweite Mutter: »Hab ich euch schon erzählt, Angelina hat ein Bild gemalt.«
     
    Die beiden anderen Mütter blicken sie mit einem eingefrorenen Lächeln schweigend an.
     
    »Angelina, die Kleine, die hat ein Bild gemalt!«
     
    Abwechselnd wiederholt sie dieselben Worte noch einmal an jede Mutter mit steigernder Euphorie: »Die hat ein Bild gemalt! DIE HAT EIN BILD GEMALT! Mein Mann und ich haben uns die Hände über den Köpfen zusammengeschlagen, wir waren so begeistert, die kleine Angelina, in dem Alter, ein solches Bild!«
     
    Die Mütter nicken ihr mit eingefrorenem Lächeln unaufhörlich zu, wissen gar nicht, was sie sagen sollen, und denken sicher: Ja, wir haben’s gehört, deine kleine Tochter hat ein Bild gemalt, und so begeistert wie du bist, wirst du es uns wahrscheinlich gleich zeigen!
     
    »Ich hab’s dabei, wollt ihr’s sehen?«, jubelt die zweite Mutter und fängt an, in ihrer Tasche zu wühlen.
     
    Ich habe das
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