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Altstadtrebellen

Altstadtrebellen

Titel: Altstadtrebellen
Autoren: Andreas Giebel
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nicht auf, Herbert, du bist ja sowieso der größte Depp. Da machst den ganzen Tag Weinprobe mit irgendwelchen Leuten, dann sperrst du besoffen deinen Laden zu, und was machst du in deiner Freizeit? Hockst dich wieder unter die gleichen Leute. Zum Dank schenken sie dir so einen greisligen Trollinger ein!« Sagt es und leert das Glas in einem Zug. Seine Augen haben plötzlich diesen sentimental-glasigen Blick, den ich von früheren gemeinsamen Abenteuern her kenne.
     
    »Die Menschen sind überall gleich, Herbert, reg dich nicht auf…«
     
    Eine Träne rollt über seine Wange: »Außer dir, Vater, du warst anders. Du hättest einfach noch nicht sterben dürfen. So schöne Geschichten hast mir immer erzählt. Ich hab sie ja oft noch gar nicht verstanden, weil ich zu klein war, aber das war mir egal, du hast sie einfach schön erzählt!«
     
    Auf einmal lacht er in sich hinein.
     
    »Ich weiß noch genau, wie du diese Kiste im Keller gefunden hast, mit den alten Geldscheinen, alles Reichsmark. Und bei deinem Stammtisch im Hahnhof mit deinen Kriegskameraden, da bist du auf dem Weg zum Klo zum Kellner gegangen, hast ihm 100 echte Mark gegeben und ihm gesagt: ›Ich zahle Ihnen nachher mit 100 Reichsmark, und Sie geben mir, ohne mit der Wimper zu zucken, echtes Geld raus.‹ Und das hat er gemacht. Und deine Kriegskameraden hätten fast einen Herzinfarkt gekriegt, als du sie fragtest, ob sie nicht wüssten, dass die alten Scheine seit dem Ersten Ersten wieder gelten. Die haben ja damals ihre alten Scheine säckeweise weggeschmissen!«
     
    Wehmütig lachend sitzt er da, der Herbert, hat sich aus seinem Stimmungstief selbst herauserzählt. So mag ich ihn.
     

Kevin folgt nicht
     
    Eine der Mütter steht plötzlich suchend da, ruft: »Kevin! Kevin!«, sieht ihn, bleibt aber stehen und ruft weiter: »Kevin, kommst du bitte mal her! Kevin, KOMMST DU BITTE MAL HEHER! KEVIN!« Nichts nutzt, Kevin hört nicht. Sie muss selbst zu ihm marschieren. Und das tut sie, entschlossen, mit gelernt stolzem Gang, wohl wissend, dass die Aufmerksamkeit auf ihr ruht, nimmt seine Hand, zieht ihn vom Grill weg und beginnt zu belehren: »Kevin, was haben wir beide ausgemacht? Wir haben ausgemacht, wenn wir hierher gehen, dann muss es genügen, wenn ich dich einmal rufe, und dann kommst du. Das haben wir beide so ausgemacht. Das hat doch seinen Grund, wenn ich dich rufe. Das ist doch gefährlich am Grill!« Weil der Herbert immer noch am Lächeln ist, will der kleine Kevin zu ihm gehen, die Mutter zieht ihn weg: »Und lass die Männer in Ruhe, die wollen für sich sein!« Was in diesem Fall gar nicht stimmt, weil der Herbert Kinder mochte. »Wie heißt er, Keffin?«, ruft Herbert laut zu den beiden hinüber, »Keffin, da komm amal her, kriegst was von mir!« Er kramt etwas Kleines aus der Hosentasche heraus. Kevin rennt hin. »Da schau her, Keffin, magst einen Schnupftabak?«
     
    Daraufhin streut er ihm eine kleine Prise auf den Handrücken, erklärt ihm fachmännisch die Vorgehensweise, macht es ihm vor, Kevin macht begeistert mit, muss niesen, strahlt, und die Mutter hat’s nicht mitgekriegt.
     

Prominenz am Tisch
     
    »Mag jetzt noch irgendjemand ein Würschtel?«, tönt es vom Grill. Der arme Zieser Johann, alle sind satt, und er hat viel zu viel aufgelegt.
     
    Als ich mit dem Ranftl Sepp gerade so wunderbar am Summen bin, es war die Melodie aus La Strada von Nino Rota, setzt sich dieser Heini zu uns an den Tisch, der Neuzugang vom Eckhaus vorne. Steuerberater aus Bamberg. Setzt sich mit seinem Teller einfach an unseren Tisch. Bloß weil frei war. Das muss der doch spüren, dachte ich mir, dass wir zwei uns genügen. Setzt sich hin und legt sofort im breiten Fränkisch los: »Jetzt hab ich scho mei vierde Käsgrainer, jetzt wird ich mal langsam auf die Koteletts umsteign!«
     
    Das ist genau der Satz, den wir hören wollten. Und er marschiert verbal sofort ungefragt weiter, erzählt von seinem Beruf, wie viele Stunden er in der Woche zu tun hat, und dass sich da doch keiner Gedanken macht, was da alles dranhängt, und er hat kaum noch Zeit für die Freizeit.
     
    »Im Übrichen hab ich auch noch a sehr zeitaufwendiches Hobby!«
     
    Ich sage noch: »Das hat der Ranftl Sepp auch mit seiner Musik!«
     
    »Des is doch nix. Ich bin so begeistert von die Karl-May-Festspiele in Bad Secheberch, da fohr ich jedes Joahr hin, da kennen mich die schon, da muss ich immer vorher nach Radebeul fahrn, ins Karl-May-Museum, die Originaltexte
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