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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht
Autoren: P. G. Wodehouse
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mir Woosters Butler, daß Sie glauben, Wooster habe es getan, und da mußte ich natürlich herkommen und das richtigstellen. Das ist alles. Ich werde jetzt zu Bett gehen«, sagte Roderick Spode. »Gute Nacht.«
    Verlegen zog er ab, und die atemlose Stille breitete sich wieder aus.
    Es kann ja sein, daß es irgendwo mal jemanden gegeben hat, der noch dämlicher aus der Wäsche geschaut hat als Sir Watkyn Bassett in diesem Augenblick, aber mir selbst ist so einer jedenfalls nie begegnet. Seine Nasenspitze hatte sich leuchtend rot verfärbt, und sein Kneifer hing mit einer Schlagseite von fünfundvierzig Grad matt auf seiner Nase. Obwohl er mich seit dem Beginn unserer Bekanntschaft unablässig malträtiert hatte, tat mir der alte Esel nun fast leid.
    »A-hem!« brachte er schließlich hervor.
    Dann mühte er sich eine Weile mit seinen Stimmbändern ab. Sie waren anscheinend eingerostet oder irgendwas.
    »Ich muß mich offenbar bei Ihnen entschuldigen, Mr. Wooster.«
    »Reden wir nicht mehr davon, Bassett.«
    »Ich bedaure sehr, was geschehen ist.«
    »Vergessen wir’s. Meine Unschuld ist erwiesen, und das ist die Hauptsache. Ich nehme an, daß ich jetzt frei bin und tun kann, was ich will?«
    »Aber selbstverständlich. Gute Nacht, Mr. Wooster.«
    »Gute Nacht, Bassett. Ich hoffe, das war Ihnen eine Lehre.« Ich entließ ihn mit einem distanzierten Nicken und verfiel dann in tiefes Nachdenken über das soeben Geschehene. Mir kam das alles spanisch vor. Bei der Suche nach einem, wie Oates sagen würde, Tatmotiv kam ich auf keinen grünen Zweig. Ich konnte mir die Sache nur damit erklären, daß hier mal wieder jemand Gregory Peck spielen wollte.
    Und dann ging mir auf einmal ein gleißend helles Licht auf. »Jeeves!«
    »Sir?«
    »Stecken Sie hinter dieser Geschichte?«
    »Wie meinen, Sir?«
    »Sagen Sie nicht ›Wie meinen?‹. Sie wissen genau, was ich meine. Haben Sie Spode dazu gebracht, alles auf seine Kappe zu nehmen?«
    Ich würde zwar nicht sagen, er habe gelächelt, denn das tut er praktisch nie, aber für Sekundenbruchteile zuckte es kaum merklich um seinen linken Mundwinkel.
    »Ich habe mir erlaubt, Mr. Spode darauf hinzuweisen, Sir, daß es sehr großmütig von ihm wäre, wenn er die Verantwortung auf sich nähme. Meine Argumentation besagte im wesentlichen, daß er Ihnen damit allerhand Unannehmlichkeiten ersparen würde, ohne dabei selbst das geringste Risiko einzugehen. Ich legte ihm dar, daß Sir Watkyn als Verlobter seiner Tante ihm keinesfalls die Art von Strafe auferlegen würde, die er für Sie vorgesehen hatte. Man schickt einen Gentleman, mit dessen Tante man sich im Brautstand befindet, nun einmal nicht ins Gefängnis.«
    »Da haben Sie völlig recht, Jeeves. Aber ich kapiere immer noch nicht ganz. Hat er denn einfach ›O.K.‹ gesagt? Ohne zu murren?«
    »Nicht ganz ohne Murren, Sir. Ich gebe zu, daß er anfangs etwas zögerlich reagierte. Möglicherweise wurde seine Entscheidungsbereitschaft dadurch angeregt, daß ich ihm sagte, ich sei im Bilde über …«
    Ich stieß einen Schrei aus.
    »Eulalie?«
    »Jawohl, Sir.«
    Ich verspürte den dringenden Wunsch, dieser Sache mit Eulalie endlich auf den Grund zu kommen.
    »Sagen Sie mal, Jeeves, was hat Spode diesem Mädchen eigentlich getan? Hat er sie umgebracht?«
    »Ich bin leider nicht befugt, darüber Auskunft zu geben, Sir.«
    »Ach, kommen Sie, Jeeves!«
    »Bedaure, Sir.«
    Ich gab auf.
    »Na schön, dann eben nicht.«
    Ich entblätterte mich nach und nach, schlüpfte in den Pyjama und kletterte ins Bett. Da die Bettlaken unentwirrbar miteinander verknotet waren, würde ich mich wohl mit den nackten Decken begnügen müssen, aber ich war bereit, für diese eine Nacht auf Komfort zu verzichten.
    Die Fülle der Ereignisse, die sich binnen kürzester Zeit zugetragen hatten, beschäftigte mich stark, und so saß ich, die Knie bis unters Kinn gezogen, auf der Matratze und sann über die Wechselfälle des Schicksals nach.
    »Das Leben ist schon etwas Merkwürdiges, Jeeves.«
    »Sehr merkwürdig, Sir.«
    »Man weiß nie, was es einem im nächsten Augenblick bringen wird. Nehmen wir mal ein Beispiel: Vor einer halben Stunde hätte ich es mir noch nicht träumen lassen, daß ich hier sorglos im Pyjama sitzen und Ihnen beim Kofferpacken zusehen würde. Da sah ich noch eine ganz andere Zukunft vor mir.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Alles schien darauf hinzudeuten, daß ein Fluch auf mir lastete.«
    »So schien es in der Tat, Sir.«
    »Aber inzwischen sind
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