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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht
Autoren: P. G. Wodehouse
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Kerl hat heute abend ganz schön gewütet, was, Jeeves?«
    »Jawohl, Sir.«
    »Und soviel ich sehe, kann man da auch gar nichts machen. Oder fällt Ihnen etwas ein, was man machen könnte?«
    »Nein, Sir.«
    »Und um die Sache noch mal von einer anderen Seite her zu betrachten: Sie haben nicht zufällig eine Idee, wie Sie mich hier herausholen könnten?«
    »Ich habe noch keinen ausgereiften Plan, Sir, aber ich widme dem Problem meine ganze Aufmerksamkeit.«
    »Widmen Sie ihm alles, was Sie aufbieten können.«
    »Momentan habe ich nur eine vage Vorstellung.«
    »Es ist wohl eine Portion Raffinesse vonnöten?«
    »Jawohl, Sir.«
    Ich schüttelte den Kopf. Im Grunde war das natürlich ganz überflüssig, denn er konnte mich ja nicht sehen. Trotzdem schüttelte ich ihn.
    »Es kommt jetzt wirklich nicht darauf an, besonders pfiffig und schlau vorzugehen. Die Hauptsache ist, daß schleunigst etwas geschieht, und mir ist da gerade etwas eingefallen. Vor kurzem unterhielten wir uns doch darüber, wie Sir Roderick Glossop im Gewächshaus festsaß, während Wachtmeister Dobson den Ausgang besetzt hielt. Wissen Sie noch, was der alte Stoker damals vorschlug, um die Situation zu bereinigen?«
    »Wenn mich nicht alles täuscht, Sir, riet Mr. Stoker zur Anwendung physischer Gewalt gegen den Polizeibeamten. ›Gebt ihm mit der Schaufel eins auf die Rübe!‹ waren, glaube ich, seine Worte.«
    »Stimmt genau, Jeeves. Das hat er wörtlich gesagt. Damals haben wir diesen Vorschlag zwar verworfen, aber heute kommt es mir so vor, als steckte darin eine ganze Portion gesunder Menschenverstand. Diese tatkräftigen Praktiker haben eben das Talent, gleich zum Kern der Sache vorzustoßen und sich nicht lange mit Nebensächlichkeiten aufzuhalten. Wachtmeister Oates schiebt unten vor meinem Fenster Wache. Hier oben liegen immer noch die zusammengeknoteten Bettücher herum, und man könnte sie ohne Schwierigkeit an einem Bettpfosten oder sonstwas festbinden. Sie brauchen sich also nur irgendwo eine Schaufel zu besorgen und hinunterzugehen …«
    »Ich fürchte, Sir …«
    »Kommen Sie, Jeeves. Das ist jetzt nicht der Zeitpunkt für kleinliche Einwände. Ich kenne Ihre Vorliebe für elegante Lösungen, aber Sie müssen einsehen, daß wir damit im Augenblick nicht weiterkommen. In dieser schweren Stunde hilft nur noch der Einsatz von Schaufeln. Gehen Sie hin und verwickeln Sie den Mann in ein Gespräch. Halten Sie dabei das Werkzeug hinter Ihrem Rücken verborgen und passen Sie einen günstigen Augenblick ab …«
    »Entschuldigen Sie, Sir. Mir scheint, es kommt jemand.«
    »Denken Sie mal darüber nach. Wer kommt denn?«
    »Sir Watkyn und Mrs. Travers, Sir. Es sieht so aus, als wollten sie Ihnen einen Besuch abstatten.«
    »Ich hab’s ja geahnt, daß ich mein Zimmer nicht lange für mich allein haben würde. Aber sie sollen nur kommen. Wir Woosters sind ja als gastfrei bekannt.«
    Als die Tür kurz darauf aufgesperrt wurde, kam aber nur die alte Anverwandte herein. Sie ging schnurstracks auf den vertrauten Sessel zu und ließ sich schwer hineinplumpsen. Ihr Gesicht war finster und gab keine Veranlassung zu hoffen, daß sie gekommen sei, um mir mitzuteilen, der alte Bassett habe sich eines Besseren besonnen und beschlossen, mich auf freien Fuß zu setzen. Aber genau das teilte sie mir nun mit.
    »So, Bertie«, sagte sie nach längerem Schweigen. »Du kannst deine Sachen fertig packen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er hat das Verfahren eingestellt.«
    »Eingestellt?«
    »Ja. Die Anklage wird zurückgezogen.«
    »Heißt das, daß ich nicht in den Bunker muß?«
    »Ja.«
    »Ich bin frei wie ein Vogel in der Luft?«
    »Ja.«
    Ich war so aus dem Häuschen vor Freude, daß es eine ganze Weile dauerte, bis ich merkte, wie wenig Widerhall mein Jubilieren bei der alten Muhme fand. Sie saß noch immer muffig da, worauf ich ihr einen leicht tadelnden Blick zuwarf.
    »Du scheinst aber nicht sehr erfreut zu sein.«
    »Oh, ich bin entzückt.«
    »Dafür kann ich aber keinerlei Symptome entdecken«, sagte ich streng. »Dein Neffe ist gewissermaßen in letzter Sekunde vor dem Henker bewahrt worden, und du sitzt miesepetrig herum, anstatt einen Freudentanz aufzuführen.«
    Sie seufzte tief.
    »Tja, weißt du, Bertie, die Sache hat einen Haken. Der alte Halunke hat nämlich eine Bedingung gestellt?«
    »Was für eine Bedingung denn?«
    »Er will Anatole haben.«
    Fassungslos sah ich sie an.
    »Er will Anatole haben?«
    »So ist es. Das ist der Preis für deine
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