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Als ploetzlich alles anders war

Als ploetzlich alles anders war

Titel: Als ploetzlich alles anders war
Autoren: Martina Dierks
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zu Hause?«, fragte Louisa.
    » Ich wollte das so. Meine Mutter ist nämlich eine richtige Glucke, weißt du. Die hatte immer so viel Angst um mich, da musste ich einfach weg, sonst hätte ich mich nie was getraut.«
    Louisa dachte an ihre Mutter und deren Ängste, die sich manchmal auch auf sie übertrugen. Vielleicht war ihr das nicht einmal bewusst und Louisa sollte mit ihr einmal darüber reden, damit sie in Zukunft unverkrampfter mit ihrer Behinderung umgehen könnte.
    » Ich kann ja jetzt öfter kommen, wenn du willst, und du musst mich auch bald mal besuchen, ja?«
    Tinka lächelte und nickte. Sie sah so hübsch aus mit ihrem feinen kleinen Gesicht, den hellen blauen Augen und dem roten Haar, das leuchtend über das weiße Kopfkissen flutete. Tinka wirkte so entspannt, obwohl jede ihrer Bewegungen sie unendlich viel Mühe kosten musste. Der Ausdruck ihrer Augen war– Louisa überlegte– glücklich, froh, hoffnungsvoll? Im Unterschied zu Louisa hatte sich Tinka in ihrem Leben eingerichtet und ihre Grenzen akzeptiert. Aber Louisa kannte ihre Grenzen noch gar nicht genau, Tinkas waren viel klarer umrissen, während Louisa bestimmt noch Möglichkeiten hatte, von denen sie jetzt noch nichts wusste.

Nur eine Dummheit
    Das kannst du nie wiedergutmachen, hatte Teris Vater gesagt. Nie wieder– und dann hatte er sie angesehen, als wäre Teri ein Ungeheuer. Sie hatte sein Leben zerstört. Ein Leben, das er sich genau so gewünscht und für das er geschuftet hatte. Mit einer tollen Frau und zwei wunderbaren Töchtern, auf die er stolz sein konnte.
    Mama hatte zuerst gar nichts gesagt, so sehr hatte sie Teris Geständnis schockiert. Dann hatte sie geweint, war einfach auf die Couch gesunken und hatte ihr Gesicht in den Händen vergraben. Ewigkeiten vergingen, bis ein Wort über ihre Lippen kam.
    » Warum, Teri, warum?«
    » Wie hätte ich denn wissen sollen, dass sie mir trotzdem nachfährt?«, hatte Teri ihre Eltern verzweifelt angebrüllt.
    » Das ist keine Entschuldigung«, hatte ihre Mutter gesagt.
    Dann war Teri in ihr Zimmer gegangen, hatte sich auf ihr Bett geworfen und stundenlang die Decke angestarrt, bis es dunkel geworden war. Sie blieb im Dunkeln liegen, ohne das Licht anzuknipsen.
    Teri fühlte sich wie abgeschnitten von der Welt, von ihren Gefühlen, von allem, was wichtig für sie war. Natürlich hatte sie geahnt, wie schlecht es ihr nach diesem Geständnis gehen würde, aber jetzt kam sie sich vor, als hätte sie ein ganz abscheuliches Verbrechen begangen. So sah es ihr Vater jedenfalls, obwohl Teri immer wieder beteuert hatte, dass es einfach nur eine riesengroße Dummheit war, aber keine böse Absicht dahintersteckte. Nur Dummheit, Papa, und ein Junge mit haselnussbraunen Augen!
    Ein paarmal hatte ihr Handy geklingelt, Teri hatte Jettes Nummer auf dem Display gesehen, hatte es aber einfach läuten lassen. Jette hätte gespürt, wie fertig Teri war, und sie nach dem Grund gefragt. Teri wollte jetzt nicht mehr darüber reden, noch mehr Ablehnung hätte sie heute nicht ertragen. Nach der heftigen Reaktion ihrer Eltern hielt sie es durchaus für möglich, dass auch Jette sie verabscheuen könnte, wenn sie Bescheid wusste.
    Inzwischen war es schon Abend, Teri hörte, wie ihre Eltern auf der Suche nach Louisa weiter verzweifelt herumtelefonierten, hörte ihre Mutter schluchzen, während ihr Vater sie unbeholfen zu trösten versuchte, und dann, als sie gerade beschlossen hatten, die Polizei einzuschalten, kam Louisa nach Hause und wenigstens dieser Albtraum war vorbei.
    Teri war aufgestanden, hatte ihre Tür einen Spaltbreit geöffnet, unentschlossen, ob sie hinausgehen oder doch lieber in ihrem Zimmer bleiben sollte. Louisa war wie ausgewechselt. Das, was sie zu erzählen hatte, sprudelte fast so unbekümmert wie früher aus ihr heraus.
    » Ich war bei einer Freundin, die ich aus dem Schulbus kenne. Sie wohnt draußen in Zehlendorf in einer WG . Gefällt mir ganz gut, könnte ich mir auch vorstellen für später. Jedenfalls hat Tinka mir einen Tipp gegeben, therapeutisches Reiten, das würde euch keinen Cent kosten, weil es die Kasse bezahlt.«
    Teri staunte, dass Louisa ganz allein in der Stadt unterwegs gewesen war. Sie wusste, wie viel Angst sie immer davor gehabt hatte. Zuerst war sie auch gar nicht mit dem Rollstuhl klargekommen, weil er so schwergängige Bremsen hatte und die Vorderräder ständig blockierten.
    Aber jetzt ging es ihr offenbar richtig gut, sonst würde sie keine Pläne schmieden,
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