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Als ploetzlich alles anders war

Als ploetzlich alles anders war

Titel: Als ploetzlich alles anders war
Autoren: Martina Dierks
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Ladenbesitzer über Louisa gebreitet hatte. In die schnell aufeinanderfolgenden Donnerschläge mischte sich die schrille Sirene des Rettungswagens, das Blaulicht zuckte gespenstisch vor dem Hintergrund des Gewitterhimmels auf. Alles war so unwirklich, als gehörte es gar nicht in ein richtiges Leben, sondern wäre nur Teil eines sehr realen Traums.
    Solche Träume träumte Teri jetzt oft. Die meisten waren einfach nur gruslig, wirr oder völlig absurd, aber manchmal waren sie auch schön. Wie der heute Nacht zum Beispiel, in dem Teri nicht nur dem Jungen begegnet war. Sie hatte auch Louisa ihr altes, strahlendes Louisa-Eisprinzessin-Lächeln lächeln gesehen. Sieh nur, wie schnell ich wieder laufen kann, hatte sie Teri zugerufen, während sie in hohen Sprüngen über das Straßenpflaster einer fantastischen Stadt mit hohen, spitzen Türmen setzte. Wenn sie diese Stadt nur finden könnten, wenn es sie doch irgendwo gäbe, dachte Teri.
    Sie verließ ihr Bett, ging zum Fenster und schaute in die Dunkelheit hinaus. Das Licht war irgendwie heller als sonst an einem Novembermorgen. Der Himmel war bedeckt, aber er leuchtete. Teresa öffnete das Fenster, eisige Luft wirbelte herein. Und dann sah sie die feinen Flocken im Licht der Laternen tanzen. Es schneite– zum ersten Mal in diesem Winter.

Verwunschen sein
    Louisa quälte sich mit ihrer Strumpfhose ab. Das Anziehen war immer noch so verdammt mühselig. Bis vor ein paar Wochen hatte ihr Mama dabei geholfen. Aber dann wollte Louisa das nicht mehr. Das war am Anfang so peinlich gewesen, als sie sich kurz nach ihrem Unfall kaum bewegen konnte und nicht mal mehr einen Slip allein anbekam.
    Wenn du mitarbeitest, dann wirst du alles bald wieder allein schaffen, sagte ihre Krankengymnastin immer. Gib dir Mühe, Louisa.
    Das tat sie ja. Das tat sie jetzt seit so vielen Wochen und Monaten schon. Natürlich war es mittlerweile besser geworden und sie hatte ihrem Leben wieder ein kleines Stück Unabhängigkeit abgerungen, trotzdem blieb es ein ewiger Kampf gegen die widerspenstigen Muskeln und Sehnen.
    Wenn es so kalt wie heute war, dann ging fast gar nichts mehr. Dann fühlten sich Teile ihres Körpers steif wie ein Brett an. In einen Ärmel hineinschlüpfen, Strümpfe oder Schuhe anziehen, eine Jacke zuknöpfen, alles Wahnsinnsaktionen, beim ersten Versuch klappte es so gut wie nie. Die meisten Sachen machte sie jetzt sowieso lieber mit rechts. Louisa hätte nie gedacht, was mit einer Hand alles möglich war. Ihre Krankengymnastin war natürlich dagegen, dass sie so wenig mit der linken machte. Louisa hätte ihre linke Hand ja nicht verloren, die wäre jetzt nur in ihrer Bewegungsmöglichkeit eingeschränkt. Eingeschränkt ,auch so ein Wort, das mit der Wahrheit Verstecken spielte. Keiner wollte es aussprechen, alle drückten sich irgendwie davor, die Dinge so zu sehen, wie sie waren. So beweglich wie früher würde ihre linke Hand nie wieder sein und Louisa war deshalb sehr froh, dass sie immer schon Rechtshänderin gewesen war und die linke nur als Assistenzhand brauchte.
    » Mist, Mist, Mist«, fluchte Louisa leise, als sich der linke kleine Zeh wieder im elastischen Stoff der Strumpfhose verhakt hatte. Also noch mal von vorn. Louisa schnaufte. Manchmal stellte sie sich vor, sie wäre wie in einem Märchen nur verwunschen und würde eines Tages wieder die Louisa von früher sein, wenn sie sich nur genug Mühe gab. Obwohl das » früher « sich inzwischen gar nicht mehr so anfühlte, als wäre es einmal wirklich ihr » früher « gewesen. Louisa konnte sich zwar an alles erinnern, aber eher so, als hätten die Erinnerungen an ihr altes Leben mit einem völlig fremden Mädchen zu tun.
    Endlich hatte sie die verdammte Strumpfhose an. Dann die Jeans drüber, das ging einfacher, obwohl sie auch dafür mehr als eine Minute brauchte. Den Pullover über den Kopf gestreift und dann rein in die Stiefel, die einen Reißverschluss und einen sehr breiten Schaft hatten, sodass das Reinschlüpfen vergleichsweise einfach war.
    Als ihre Mutter gleich darauf an die Tür klopfte und rief: » Soll ich dir helfen, du weißt ja, du wirst in einer halben Stunde abgeholt und…«, fiel ihr Louisa gleich schroff ins Wort.
    » Nein. Du sollst mir nicht helfen. Außerdem bin ich längst fertig.«
    Louisa stieß sich vom Bett ab, stand schwankend auf, stützte sich an der Wand ab und humpelte zur Tür – frei zu laufen traute sie sich noch nicht, sie hatte Angst, sie könnte umfallen. Sie tastete sich
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