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Als ploetzlich alles anders war

Als ploetzlich alles anders war

Titel: Als ploetzlich alles anders war
Autoren: Martina Dierks
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Berlin.
    Wenn es sich einrichten lässt, auch häufiger– wie jetzt in den Sommerferien. Auf den Rollstuhl kann Louisa inzwischen verzichten. Irgendwann im Frühling, als das Wetter zum ersten Mal richtig schön war, hat sie sich getraut, nur mit einer Krücke in der Schule zu erscheinen. Aber die Krücke braucht sie inzwischen auch nicht mehr– nur wenn sie mal länger unterwegs ist, kann sie nicht darauf verzichten, weil ihr das Laufen sonst zu anstrengend wäre. Peinlich ist ihr das Hinken aber doch noch manchmal, das hängt immer ganz von ihrer Tagesform ab. Manchmal ist sie auch mies drauf, dann registriert sie jeden noch so verstohlenen Blick und sieht sich mit den Augen der anderen.
    Louisa liegt noch immer halb auf dem Pferderücken, sieht, wie Teri, Jette und Perle vom Gatter den Weg zu den Ställen einschlagen.
    Teri reitet jetzt auch. Aber sie muss die Reitstunden selber bezahlen, während Louisas die Krankenkasse bezahlt. Teri gibt Nachhilfestunden in Englisch, Mathe und Deutsch und verdient sich so etwas zu ihrem Taschengeld dazu. Jette ist heute zum ersten Mal mitgekommen. Sie ist nicht mehr so oft mit Teri zusammen wie früher, hat inzwischen auch andere Freundinnen, so wie Teri jetzt Perle hat. Perle ist zwar schon siebzehn, aber sie und Teri haben sich auf Anhieb gemocht, obwohl Perle das immer nicht so zeigen kann und Teri auch nicht die Impulsivste ist. Aber Louisa hat es sofort gemerkt – an ihren neugierigen, einander abtastenden Blicken, an ihrer Begeisterung für die gleiche Musik und dieselben Filme. Trotz Perles Behinderung scheinen ihre Träume und Probleme sehr ähnlich zu sein. Früher wäre Louisa auf so eine Freundschaft bestimmt eifersüchtig gewesen, jetzt freut sie sich für Teri, der sie allmählich wieder näher kommt.
    Es geht nur in kleinen Schritten und manchmal ist da auch noch Wut, wenn Louisa wieder daran denken muss, was Teri getan hat.
    Am leichtesten fällt es ihr, auf Teri zuzugehen, wenn Perle dabei ist. Die hat nämlich gespürt, dass zwischen den beiden was nicht stimmt, und versucht jetzt immer auf ihre muntere, herausfordernde Art ein Gespräch zwischen Teri und Louisa anzuleiern. »Sei nicht so stur, Lous«, hat sie neulich gesagt. Perle nennt sie immer Lous, weil sie findet, dass das viel cooler klingt. Vielleicht weiß Perle ja Bescheid und Teri hat ihr alles erzählt. Vielleicht hat sie sogar recht und Louisa ist wirklich ein bisschen stur. Das war sie eigentlich früher auch, stur und nachtragend, hat Fee einmal gesagt.
    Nach den Ferien wird Louisa auf eine Gemeinschaftsschule in Neukölln gehen, die auch Tinka besucht. Dort sind die Lehrer engagierter und auf solche Behinderungen eingestellt.
    Mit Frau Fuchs hatte Louisa am letzten Schultag noch ein langes Gespräch, in dem die Lehrerin ganz ehrlich über ihre Schwierigkeiten sprach, die sie mit Louisa hatte. Sie wollte alles richtig machen, wusste aber nicht, wie. Sie hatte sich immer nur vorstellen müssen, wie sie sich selbst gefühlt hätte, wäre ihr so etwas wie dieser Unfall passiert. Sie fände Louisa außerordentlich tapfer, hatte sie gesagt und ihr zum Abschied viel Glück für ihre Zukunft gewünscht.
    Louisa schmiegt sich noch enger an den Hals des Pferdes. Sie denkt an den Sommer, der vor ihr liegt und den sie mit Teri und ihren Eltern am Meer verbringen wird. Dort könne man auch reiten, hat Papa gesagt. Es fällt ihm immer noch schwer, Louisas Behinderung ganz zu akzeptieren, aber er gibt sich Mühe, wohnt inzwischen auch wieder zu Hause und besucht eine Selbsthilfegruppe, wo er lernt, mit seinen Gefühlen umzugehen, die nicht nur mit Louisas Unfall, sondern auch mit ihm selbst zu tun haben. Es wird schon, sagt Mama. Das hat sie immer gesagt, auch vor dem Unfall, wenn es mal Probleme gab – und eigentlich hat sie immer recht behalten.

Nachwort von Nico Hamkens
    Die meisten Jugendlichen und Kinder in Deutschland werden nie oder ganz selten mit dem Thema Behinderung konfrontiert. Das ist ja auch ganz natürlich, denn die meisten von euch sind gesund und munter und befassen sich in der Regel mit Dingen, die ihnen Spaß bereiten. Krankheit oder Behinderung gehören sicherlich nicht zu den Muntermachern der Tagesgestaltung. Aber manchmal ist das Leben natürlich nicht ganz so einfach und das Schicksal spielt uns einen bösen Streich. Das kann, wie in dieser dramatischen Geschichte um Louisa und Teri, ein Unfall mit schwerwiegenden Folgen sein, oder eine Erkrankung, die auf einmal unversehens
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