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Als ploetzlich alles anders war

Als ploetzlich alles anders war

Titel: Als ploetzlich alles anders war
Autoren: Martina Dierks
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brachte, sie weiter so auflaufen zu lassen.
    Vieles hatte sich in den letzten Wochen verändert. Seit sie jetzt häufiger mit Tinka und Perle zusammen war, begriff Louisa allmählich, dass es auch an ihr selbst lag, wie die Leute mit ihr umgingen. Wenn sie dachte, man würde sie jetzt nur noch bemitleiden, dann traf das bestimmt auf einige Leute zu, aber nicht auf alle, und nur auf die kam es an. Es gäbe unter den Normalos eine Menge Schwachmaten, die glotzen, blöde Sprüche machen und gar nichts kapieren würden, hatte Perle gesagt. Die sollte man nicht so ernst nehmen, sondern eher bedauern, weil eigentlich sie die Freaks wären und es nur nicht wüssten.
    » Hej Louisa, bist du noch dran?«, fragte Fee.
    » Sorry, ich hab nur grad nachgedacht«, sagte Louisa.
    » Dann also am zweiten Weihnachtstag Kino zu viert. Klasse, ich freu mich schon.«
    » Ich auch«, sagte Louisa.
    Dann überlegten sie, welchen Film sie sehen wollten. Louisa fuhr ihren PC hoch und schlug im Internet die Seiten mit dem Kinoprogramm auf. Sie machte einige Vorschläge und schließlich wählten sie gemeinsam einen Film aus, der bestimmt allen gefallen würde.
    » Wir haben da so eine Idee, also eigentlich ist es Nikis Idee«, sagte Fee.
    » Eine Idee? Lass hören.«
    » Es ist wegen der Klassenfahrt.«
    » Ja und?«
    » Wir wollen, dass du mitfährst, unbedingt. Nicht nur Hatice, Niki und ich, auch andere aus der Klasse haben das gesagt. Wir kriegen das schon gebacken mit dem Rollstuhl und den vielen Treppen. Hej, das war so was von krass, wie die sich alle ins Zeug gelegt haben, um dir zu helfen. Gleich nach den Ferien gehen wir alle zu Frau Fuchs und…«
    » Nein, warte«, rief Louisa. » Das ist zwar total süß von euch, aber ich kann nicht mitfahren. In der Zeit findet hier nämlich so eine Tagung behinderter Frauen statt, da will ich unbedingt mit Tinka und Perle hingehen. Ist das schlimm?«
    » Nö, schlimm nicht, nur schade. Aber hoffentlich hängst du jetzt nicht nur noch mit Tinka und Perle ab. Wir sind auch noch da, vergiss uns nicht, klar!«, brummte Fee. Aber sie war nicht wirklich beleidigt, denn gleich darauf sagte sie. » Du bist jetzt wieder viel besser drauf, das ist schön, Lou.«
    Lou– so hatte Fee sie seit dem Unfall nicht mehr genannt. Es versetzte Louisa einen kleinen Stich und sie fühlte sich für einen kurzen Moment wieder in die Vergangenheit zurückversetzt, als sie wirklich noch dieses Mädchen gewesen war, das alle nur » Lou « nannten. Aber sie war nicht mehr Lou und es würde ihr gar nichts nützen, weiter um ihr altes, verlorenes Leben zu trauern. Manchmal tauchte dieses Mädchen noch in ihren Tagträumen auf und drehte Pirouetten in buntem Scheinwerferlicht. Louisa würde vermutlich nie aufhören, sich zu wünschen, wieder diese Lou zu sein, aber sie hatte inzwischen auch andere Wünsche– zum Beispiel irgendwann einmal vielleicht ein eigenes Pferd zu besitzen, wenn sie im nächsten Jahr mit dem Reiten anfing.
    » Ich… ich hab dich lieb… und ich wünsche dir… ach, Mist… jetzt fange ich gleich noch an zu heulen…«, Fee flüsterte fast.
    » Hej, heulen ist heute verboten. Wenn hier einer heult, dann ich. Schließlich habe ich das fettere Problem. Frohe Weihnachten, Fee.«
    » Frohe Weihnachen, Louisa.«
    Nach dem Gespräch mit Fee verschickte Louisa eine SMS an Perle und Tinka, die beide mit ihren Eltern feiern würden. Dann verstaute sie die Geschenke in einem Leinenbeutel und ging ins Wohnzimmer, um ihrer Mutter beim Christbaumschmücken zu helfen.
    » Bin schon fast fertig«, sagte Mama und blies sich eine Locke aus der Stirn. » Wo ist Teri überhaupt?«
    » Weiß nicht«, erwiderte Louisa steif, packte ihre Geschenke aus und legte sie zu den anderen unter den Baum.
    Teri war seit dem Frühstück nicht mehr aufgetaucht. Sie hatte den Abwasch gemacht und sich dann wieder in ihrem Zimmer verkrochen.
    Sie ließ sich ohnehin nur selten blicken, was Louisa meistens ganz recht war, weil sie nie wusste, was sie sagen sollte und Teri es offenbar genauso ging, seit sie ihr die Sache mit dem Fahrradhelm gestanden hatte.
    » Sie leidet«, sagte Mama leise und streifte Louisa mit einem bekümmerten Blick. Dann wickelte sie die Christbaumspitze aus dem Seidenpapier, stieg auf einen Hocker und befestigte sie.
    » Kann ich noch was helfen?«
    Louisa drehte sich um und sah Teri blass und übernächtigt in der Diele stehen. Sie war dünner geworden. Richtig abgemagert, wie Louisa erschrocken bemerkte. Sie
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