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Als ploetzlich alles anders war

Als ploetzlich alles anders war

Titel: Als ploetzlich alles anders war
Autoren: Martina Dierks
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wie alle anderen bloß Mitleid mit ihr hatten, in Wahrheit aber enttäuscht waren, dass ihre früher so schillernde Freundin, die sich von nichts und niemandem unterkriegen ließ, jetzt nur noch das heulende Elend war. Dabei wollte Louisa gar nicht, dass irgendwer sie so sah. Sie stellte sich jetzt häufig nur solche Sachen vor und träumte auch von Möglichkeiten, die sie nie mehr haben würde, das hatte etwas Tröstliches und löste auch vorübergehend die Spannung in ihrem Körper.
    » Sie sitzt nur an unserem Tisch, hat sich so ergeben, wirklich, Louisa«, sagte Fee. Aber sie sagte das so ungemein beschwichtigend, fast empört, dass Louisa ihr kein Wort glaubte.

Nach Prag– aber ohne mich!
    Und dann diese neue Lehrerin, von der sie alle schwärmten – nur Louisa nicht. Frau Fuchs war ihr zu glatt, zu perfekt, zu gestylt für eine Lehrerin.
    Sie trug hohe Stiefel über ihren engen Jeans, hübsche, bunte Ringe an ihren schlanken Fingern und hatte leuchtend rot lackierte Fingernägel. Sie hatte knallrote Lippen und roch nach Parfum. Frau Rust hatte nie nach Parfum gerochen. Frau Rust hätte sich auch nie die Nägel lackiert oder diesen grellen Lippenstift benutzt. Bei Frau Rust hätte sich Louisa selbst jetzt noch sicher und geborgen gefühlt.
    » Du bist also Louisa, schön, dass du wieder da bist«, sagte Frau Fuchs mit einem, wie Louisa fand, gekünstelten Lächeln und verfiel dabei in einen Ton, als hätte sie eine Fünfjährige vor sich.
    Ja, ich bin Louisa, wer sollte ich denn sonst sein? Oder gibt’s hier noch ’ne Behinderte in der Klasse?
    » Ich hoffe, du kommst gut zurecht, Louisa. Wenn es irgendein Problem gibt, dann sag mir das bitte und wir finden eine Lösung.«
    Den Teufel werde ich tun, dachte Louisa. Wenn sie tatsächlich Probleme bekäme, dann ginge sie damit garantiert nicht zu d e r. Louisa vertraute sich doch nicht einer völlig Fremden an. Sie war allgemein viel misstrauischer als früher. Nie konnte sie genau sagen, ob einer ehrlich oder nur wegen der Behinderung so nett zu ihr war. Es war eine schreckliche Vorstellung, dass sie nun vielleicht nie mehr wissen würde, ob sie einer wirklich mochte oder nur Mitleid mit ihr hatte.
    » Sie ist doch Klasse, oder?«, flüsterte Fee ihr zu.
    Louisa machte nur vielsagend » Hmm « und zuckte die Schultern.
    Alles war plötzlich so frustrierend. Louisa hatte zwar keine konkrete Vorstellung von diesem Tag gehabt. Doch es wäre bestimmt leichter für sie gewesen, wenn sich nicht alle so viel Mühe gegeben hätten, bloß nichts Falsches zu sagen oder zu tun.
    Seit dem Unfall ging eigentlich keiner mehr richtig normal mit ihr um, was zur Folge hatte, dass Louisa sich immer einsamer fühlte. Sie wünschte sich so sehr, die Normalität kehrte in ihr Leben zurück. Dazu gehörte eben auch, dass mal jemand richtig sauer auf sie war und ihr das auch zeigte. Warum flippte Mama beispielsweise nicht mehr so wie früher aus, wenn Louisa die Milch gleich aus der Flasche trank, anstatt sich ein Glas einzugießen. Jetzt runzelte Mama zwar die Stirn, sah ihr aber schweigend dabei zu, ohne etwas zu sagen. Oder Teresa, die sich vor dem Unfall immer darüber aufgeregt hatte, dass Louisa ihre Haarbürste benutzte. Heute verlor sie kein Wort mehr darüber, wenn sie Louisa mal wieder dabei erwischte.
    » Kann ich kurz was sagen?«, Sören meldete sich. » Mein Vater hat jetzt endlich die Adresse von dieser Pension in Prag wiedergefunden.«
    » Ach ja, die Klassenfahrt«, murmelte Frau Fuchs. » Wir wollen nämlich im Februar nach Prag fahren«, wandte sie sich dann an Louisa, fast so, als müsste sie sich dafür entschuldigen. In der Sechsten machten die meisten noch mal einen Kurztrip als kleines Highlight zum Abschluss der Grundschulzeit * . Aber warum hatten Fee und Hatice ihr nichts davon erzählt?
    Louisa spürte, wie das Zittern wieder einsetzte und das Herz heftiger klopfte, spürte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte und der Brustkorb sich enger und enger zusammendrückte.
    » Ist diese Pension denn auch behindertengerecht, Sören?«, fragte Frau Fuchs. Sören zuckte die Schultern.
    » Keine Ahnung«, antwortete er. Vermutlich wusste er nicht einmal genau, was man unter einer behindertengerechten Unterkunft verstand. Er musterte Louisa verstohlen, sie fing seinen Blick, den sie fast ein wenig feindselig fand, aus den Augenwinkeln auf.
    Was sie aber richtig fertigmachte, war die Tatsache, dass man sie offenbar gar nicht erst eingeplant hatte. Vermutlich hatten
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