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Als ploetzlich alles anders war

Als ploetzlich alles anders war

Titel: Als ploetzlich alles anders war
Autoren: Martina Dierks
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verschwanden, aber manchmal, wenn sie ihrer Schwester bei irgendetwas half, verloren sie an Gewicht. Sie hätte für Louisas jedes Opfer gebracht. Vielleicht spürte Louisa diese Bereitschaft, vielleicht spielte sie manchmal deshalb auch ein Spiel mit ihrer Schwester. Bat sie um Hilfe und sagte dann im nächsten Augenblick, sie bräuchte sie doch nicht. Sie testete offenbar ihre Grenzen und Möglichkeiten aus. Doch selbst wenn es so war, Teri würde das Louisa nie übel nehmen.
    Sie musterte Louisa beim Essen verstohlen und fand, dass sie ihre Bewegungen schon viel besser koordinieren konnte. Anfangs war Louisa gefüttert worden, zuerst von den Schwestern im Krankenhaus und später von Mama. Nicht lange zwar, aber lange genug, dass Teresa sich noch genau daran erinnern konnte, was sie dabei empfunden hatte, als sie versuchte, sich in ihre Schwester hineinzuversetzen. Gefüttert zu werden wie ein Kleinkind, wenn man schon fast erwachsen war, wie peinlich musste das denn sein?
    » Ich telefoniere noch mal kurz mit Jette, dann können wir los«, sagte Teresa nach dem Essen, schnappte sich das Schnurlose und verschwand in ihrem Zimmer. Inzwischen war sie froh, dass sie ein eigenes hatte, denn nach dem Unfall hatte sie zuerst darauf bestanden, in Louisas Nähe zu bleiben, aber dagegen hatte Louisa sehr heftig protestiert.
    Teri war dann in die alte Abstellkammer gezogen, die gerade mal drei Meter mal drei Meter breit war, ein Bett, ein Schreibtisch, ein Stuhl, mehr passte da nicht rein, aber Teresa gefiel die behagliche Winzigkeit.
    Die dottergelb gestrichenen Wände und das kleine, gucklochartige Fenster vermittelten Teri ein Gefühl von Geborgenheit. Es war ein Zimmer, in dem man die Welt vergessen und sich sicher fühlen konnte.
    » Das ist nicht dein Ernst, Teri. Wir haben das mit dem Tanzkurs vor Wochen klar gemacht und jetzt lässt du mich einfach hängen«, schimpfte Jette, als Teresa ihr erklärt hatte, sie müsse ihr für heute absagen.
    » Aber Louisa braucht mich«, sagte Teresa in einem leicht überheblichen Ton, den sie jetzt häufig anschlug. Die meisten Leute hatten doch keine Ahnung, wie ihr Leben jetzt wirklich aussah. Die konnte man entweder nur bedauern oder sich wie in Jettes Fall über sie ärgern. Warum hatte Teri früher nie bemerkt, wie oberflächlich ihre Freundin eigentlich war?
    » Ich brauch dich auch, Teri. Warum hast du es dann überhaupt versprochen?«, maulte Jette enttäuscht.
    Das fragte sich Teri inzwischen auch. Es war völlig undenkbar, in diesen dämlichen Bollywood-Tanzkurs zu gehen, wenn es Louisa immer noch nicht wirklich besser ging. Es erschien Teri falsch, Spaß zu haben, während ihre Schwester überhaupt nicht mehr wusste, was das war. Und wer sagte ihr denn, dass sie überhaupt Spaß gehabt hätte? Teri konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, warum sie auf Jettes Vorschlag überhaupt eingegangen war.
    » Ohne dich wird das bestimmt richtig öde«, jammerte Jette. Allmählich fing Teri an sie zu nerven und sie überlegte ernsthaft, ob diese Freundschaft ihr überhaupt noch richtig wichtig war.
    » Sorry, Jette, aber ich kann wirklich nicht. Wenn du nicht kapierst, dass Louisa mich mehr braucht, dann kann ich dir auch nicht helfen«, sagte Teresa und legte auf.
    Nein, sie würde nicht in diesen Tanzkurs gehen, weder heute noch irgendwann, und Jette würde das akzeptieren müssen.
    Als Teresa mit Louisa auf dem Weg zum S-Bahnhof war, spürte sie plötzlich ein wenig zaghafte Freude. Es war so lange her, dass sie beide etwas zusammen unternommen hatten.
    » Wir hätten eine Decke für dich mitnehmen sollen«, sagte Teresa, als sie Louisas Zittern bemerkte. » Es ist wirklich schweinekalt.«
    » Ich friere nicht«, behauptete Louisa. Sie hätte Eiszapfen an der Nase und blau gefrorene Finger haben können, nie hätte sie zugegeben, dass ihr kalt war. Sie hatte einmal gesagt, sie wolle nicht wie eine Oma behandelt werden, auch wenn sie jetzt so laufen würde wie eine.

Falsche Freundinnen
    Nachdem Louisa ihr Zeug besorgt hatte– zwei dicke Wörterbücher Englisch-Deutsch, Stifte, Papier und einen Taschenrechner–, blieben sie noch hier und da vor einem Schaufenster stehen.
    » Der ist ja süß«, seufzte Teri schwärmerisch und zeigte auf einen kurzen, weit ausgestellten Rock mit wildem geometrischem Muster, der Louisa auch gefiel. Aber sie zog inzwischen keine Röcke mehr an, weil sie nicht nur unpraktisch waren, Louisa fand auch, sie sähe mit den sehr dünn
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