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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht
Autoren: Rainer M. Schroeder
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P ROLOG
    D er Gesang der Mönche im Chorgestühl des Altarraums erfüllte die Kirche des alten baufälligen Klosters San Marco. Ihr körperloses Te lucis ante terminum klang durch die Nacht, während fünf Männer kurz hintereinander und unbemerkt von den Gläubigen aus den Reihen der örtlichen Tagelöhner und einfachen Handwerker durch eine Seitentür in den dunklen kühlen Kreuzgang huschten und von dort zur Sakristei schlichen.
    Eine einzige dicke Wachskerze auf einem runden Tisch am hinteren Ende des Raumes warf ihr gespenstisches Licht auf einen gedeckten Tisch und fünf Stühle.
    Mit hochgeschlagener Kapuze und gesenktem Kopf hielt Pater Coluccio den Männern schweigend die Tür auf. Der Prior und Ordensobere der Silvestriner-Mönche von San Marco wusste nur zu gut, dass es klüger war, keinem von ihnen auch nur verstohlen ins Gesicht zu blicken. Ohnehin war ihm bekannt, welch hohe Stellung jeder Einzelne von ihnen in der Gesellschaft sowie in dem ewigen Ränkespiel der Politik von Florenz bekleidete und zu welch reichem Geschlecht von Großgrundbesitzern, Bankiers und Tuchhändlern er gehörte. Aber selbst verschwörerische Verschwiegenheit hatte in dieser Stadt ihre eigenen ungeschriebenen Gesetze, die man besser befolgte, wenn einem etwas an seinem Leben lag.
    Erst als sich ihm der letzte der fünf Magnati näherte, eine hochgewachsene Gestalt mit scharf geschnittenen Gesichtszügen, gab der Prior seine Haltung auf und hob den Kopf. »Ich habe Euch einen Krug von unserem besten Trebbiano aus dem Keller geholt und einige andere kleine Gaumenfreuden dazugestellt«, raunte er dem Hochgewachsenen zu, während er die Tür zur Sakristei zufallen ließ, damit die vier in der Sakristei ihn nicht hören konnten. »Ich hoffe, Ihr werdet alles zu Eurer Zufriedenheit vorfinden, Signore.«
    Es war nicht das erste Mal, dass ein konspiratives Treffen dieser Art in der Sakristei stattfand. Der Orden stand in Florenz in dem Ruf, alles andere als nach dem monastischen Gebot der Armut und Keuschheit zu leben. Doch den Prior kümmerte es nicht, was die Leute über ihn und seine Mitbrüder sagten.
    Es kümmerte ihn auch nicht, was diese ungekrönten Fürsten der Stadt und Mitglieder der seit Jahrzehnten herrschenden Oberschicht an diesem Ort mitten in der Nacht heimlich zu bereden hatten. Dass sie nicht von frommem Eifer beseelt waren, sondern hier vielmehr eine politische Intrige auszuhecken gedachten, lag für ihn auf der Hand. Dafür gab es in ganz Italien wohl keinen fruchtbareren Boden als in dieser toskanischen Stadtrepublik an den Ufern des Arno.
    Was den Prior jedoch sehr wohl kümmerte, war die reiche Belohnung, die er, wie schon manches Mal zuvor, einstreichen würde.
    »Sieh zu, dass wir ungestört bleiben und sich niemand hier im Kreuzgang herumtreibt, bis wir wieder verschwunden sind!«, wies ihn der Hochgewachsene an. Unter den begehrlichen Blicken des Priors fuhr seine Hand unter den schwarzen Umhang und zog einen kleinen Lederbeutel hervor.
    »Ich werde persönlich Wache im Kreuzgang halten und niemanden hereinlassen!«, versicherte Pater Coluccio und griff nach dem Beutel. Dann riss er eiligst die Tür für seinen Geldgeber auf und verbeugte sich abermals, während der Mann mit dem dunklen Umhang an ihm vorbei in die Sakristei huschte.
    Die vier Verschwörer hatten ihren Becher schon mit Weißwein gefüllt, als der Hochgewachsene zu ihnen an den Tisch trat. Nur einer von ihnen, ein kleiner, fettbäuchiger Mann, der seiner Figur nach gut und gern Cellerar dieses Klosters hätte sein können, hatte sich bereits gesetzt. Schnaufend bediente er sich aus den Schalen, die mit Oliven, Datteln, Ziegenkäse, Melonenstreifen und frischem Weizenbrot gut gefüllt waren.
    Die drei anderen waren stehen geblieben. Angespannt blickten sie dem Hochgewachsenen entgegen.
    »Diese heimlichen Versammlungen hier im Kloster schmecken mir ganz und gar nicht«, brummte einer von ihnen übellaunig. Sein Gesicht trug die hässlichen Spuren einer in der Jugend glücklich überstandenen Pockenerkrankung, einer Jugend, die schon etliche Jahrzehnte zurücklag.
    »Am Wein und am Essen kann es aber nicht liegen, mein Bester«, scherzte der Fettbäuchige am Tisch mit vollem Mund. »Auf gute Kost verstehen sich die Brüder, das muss man der heuchlerischen Bande lassen.«
    Der Mann neben dem Pockengesichtigen, eine hagere Gestalt mit asketischen Gesichtszügen, machte eine unwirsche Handbewegung. »Halten wir uns nicht mit albernem Geschwätz
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