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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war
Autoren: S Winman
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Krabben auf Zeitungspapier häufte, halb in der Hoffnung, sie mochten auf den Boden fallen, damit sie mit ihrem rigorosen Geplauder aufhörten. Ich stellte zwei Flaschen Wein auf den Tisch und ließ mich erschöpft auf einen Stuhl fallen.
    Joe fasste über den Tisch und nahm uns bei den Händen.
    » Lasst uns beten«, sagte er und neigte den Kopf.
    Ich sah Charlie an. Was soll der Scheiß jetzt?
    Er zuckte mit den Schultern.
    » Sagen wir Dank für das, was uns gleich zuteil wird«, sagte Joe feierlich, und dann hielt er inne, sah uns an. Wir neigten die Köpfe und sprachen ihm nach.
    » War nur ein Scherz«, sagte er daraufhin, griff nach einer Krabbe und riss ihr eine Schere ab. » Nur Spaß«, fügte er hinzu, und Charlie lachte. Arschloch, dachte ich.
    Ich zog mich innerlich zurück, sagte den ganzen Abend lang nichts mehr, trank einfach vor mich hin– wir tranken alle. Keiner zählte mit–, und ich spürte meinen Zorn, brennend heiß, weil ich ihn in seiner Gegenwart wachsen sah, weil er in seiner Gegenwart glücklich schien. Ich wusste nicht, warum ich so empfand. »Ganz normal«, hätte der Arzt jetzt gesagt, solche Gefühle seien ganz normal. Dafür bezahlten wir ihn schließlich, damit er die Diagnose » normal« stellte.
    Charlie tätschelte unterm Tisch mein Knie, eine lahme Geste der Aufmunterung. Er sah mich an und grinste, glücklich über diesen gelungenen Arbeitstag, über seinen neuen guten Draht zu Joe. Mein Bruder hielt plötzlich im Kauen inne und schlug sich die Hand vor den Mund. Ich dachte schon, ihm sei schlecht. Scheißkrabben, dachte ich, noch ein Scheißzahn weniger.
    » Spuck’s aus«, sagte ich.
    » Bin okay«, murmelte er.
    » Du hast Krabben immer gern gemocht.«
    Er streckte die Hand vor, in einer Geste, die mich zum Schweigen bringen sollte. Seine Handfläche direkt vor meinem Gesicht. Eine neue Geste. Ich hasste sie.
    » Du warst ganz wild drauf«, sagte ich. » Ach ja, hab ich ganz vergessen– ich soll ja bloß nicht erwähnen, was du früher mochtest, stimmt’s? Zu viel Druck.«
    » Ell, bitte«, sagte er, ohne weiterzukauen und mit der Hand noch immer vor dem Mund; die Augen geschlossen, wahrscheinlich dachte er nach, versuchte, nicht zu sprechen. Ich stand auf und trat an die Spüle.
    » Ich halt diesen Scheiß hier echt nicht mehr aus«, sagte ich und füllte ein Glas mit Wasser.
    » Elly, schon gut«, sagte Charlie.
    » Nichts ist gut. Mir reicht’s.«
    Das Geräusch seines Stuhls, der über die Fliesen schrammte, als er ihn zurückschob und auf mich zukam. Er fasste mich am Arm.
    » Hau ab, Joe«, schnaubte ich.
    » Okay«, sagte er und ließ los.
    » Du machst es dir zu einfach. Du strengst dich überhaupt nicht an. Du interessierst dich für nichts. Nicht für uns. Für gar nichts. Dir ist egal, was vorher war. Du machst dich doch verdammt noch mal nur über uns lustig.«
    » Das stimmt nicht.«
    » Elly, lass«, sagte Charlie beschwichtigend.
    » Ich will dir so vieles erzählen, aber du fragst nie danach.«
    » Ich weiß einfach nicht, wo ich anfangen soll.«
    » Fang einfach an«, sagte ich. » Fang scheiß noch mal an! Mit irgendwas. Mit etwas.«
    Er stand da und sah mich an und sagte nichts, kein Wort. Er fasste sich wieder an den Mund, schloss die Augen.
    » Ell«, sagte er leise.
    » Okay, wie wär’s, wenn ich anfange? Du magst Bananen. Und deine Spiegeleier gut durch. Du schwimmst gern im Meer, aber nicht im Schwimmbad, und du magst Avocados, aber ohne Mayonnaise, und kleine Salatherzen und Walnüsse und Biskuitkuchen und Dattelscheiben und Scotch– Blended Scotch, komischerweise, nicht Single Malt. Du magst die Komödien der Ealing Studios und Marmite und Lardy Cake und Kirchen und Segenswünsche, und du hast sogar mal drüber nachgedacht, katholisch zu werden, nachdem du mit Elliot Bolt eine Messe besucht hattest. Du magst Eis, aber kein Erdbeer, und Lammfleisch, wenn es rosa gebraten ist, aber nicht durch, und den ersten Mangold der Saison. Und eigenartigerweise magst du Bootschuhe und kragenlose Hemden, orangefarbene Pullis mit Rundhalsausschnitt, Oxford lieber als Cambridge, DeNiro lieber als Pacino und…«
    Plötzlich verstummte ich und sah ihn an. Seine Augen waren geschlossen, Tränen liefen ihm übers Gesicht.
    » Frag mich etwas«, sagte ich. Er schüttelte den Kopf.
    » Du hattest die Masern und Windpocken. Und eine Freundin, Dana Hadley. Du hast dir mal drei Rippen gebrochen. Und einen Finger. In einer Tür, nicht beim Rugby. Du magst weder
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