Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war
Autoren: S Winman
Vom Netzwerk:
Rosinen noch Nüsse in Schokolade, aber im Salat schon. Du magst keine Unhöflichkeit. Oder Dummheit. Oder Vorurteile oder Intoleranz. Frag mich etwas.«
    Er schüttelte den Kopf.
    » Du magst Inlineskaten nicht oder Kaffee von Starbucks oder ihre Scheißbecher.«
    Er setzte sich hin und hielt sich den Kopf. Charlie ging rüber zum Tisch.
    » Du kannst keine Frisbeescheibe vernünftig werfen. Und du kannst nicht tanzen. Siehst du, das bist du, Joe. All diese Dinge. Das ist der Mensch, den ich kenne, und nur durch ihn wirst du auch mich wieder kennen, weil mit all diesen Dingen Momente verbunden sind, und bei den meisten davon war ich dabei. Und das ist es, was mir so wehtut.«
    » Elly«, flüsterte Charlie. » Hör auf.«
    » Weißt du, du warst der einzige Mensch, der alles über mich wusste. Weil du dabei warst. Du warst mein Zeuge. Und du bringst Sinn in das verkorkste Etwas, zu dem ich hin und wieder werde. Weil, dich konnte ich immer anschauen und mir denken, wenigstens er weiß, warum ich bin, wie ich bin. Es gibt Gründe. Aber das kann ich jetzt nicht mehr, und ich fühl mich so verloren. Tut mir leid. Das ergibt alles keinen wirklichen Sinn mehr, oder?«
    Und zum ersten Mal überhaupt trat ich aus seinem Schatten und ging hinaus in die Dunkelheit, auch wenn ich nicht gerüstet war, und schreckte die schlafenden Fledermäuse auf.
    Es war kalt, ich konnte meinen Atem sehen, und mir wurde klar, dass der Herbst vorüber war, es war wieder Winter. Plötzlich wusste ich nicht mehr, wohin ich gehen sollte, das hier war nicht mein Land, und die Dunkelheit hier war aggressiv; gefüllt mit merkwürdigen Geräuschen, Hundebellen oder ein Kojote? Ich sollte den Unterschied eigentlich kennen, aber so war es nicht. Dies hier war uraltes Land, und je weiter ich auf den Schatten der Berge zuging, desto stärker konnte ich seinen Zorn und die Traumbilder der Vergangenheit spüren.
    Ich setzte mich in die Mitte der alten, stillgelegten Landebahn, einst das Spielzeug eines reichen Landbesitzers, jetzt von Grasbüscheln und Gänseblümchen überwuchert. Ich sah, wie sie sich in die Nacht erstreckte, wie ein gefrorener Fluss, bis sie hinter einer schwarzen Mauer aus Bäumen verschwand, eine Landesgrenze des Nichts am Ende der Welt.
    Er kam aus der schwarzen Finsternis, mutigen Schrittes, seine blonden Locken fingen das restliche Mondlicht ein, eine helle Aura umgab seinen Kopf. Seine fremdartige Präsenz hatte eine Einsamkeit von solch verzehrender Sehnsucht bloßgelegt, eine, die unbarmherzig in die Vergangenheit zurückreichte, und ich wusste, ich konnte nicht länger bei ihm sein. Ich würde am nächsten Tag abreisen, den Bus in die Stadt nehmen, ein Flugzeug zurück nach London, eine Erklärung mit nach Cornwall. Eines Tages würde er vielleicht zurückkehren. Eines Tages.
    Er ging nicht mehr, sondern rannte auf mich zu, und er machte mir Angst. Ich stand auf und begann, vor ihm zurückzuweichen, weg von seinen Worten, weg von seinem » Ell, warte!« und seiner ausgestreckten Hand. Und schon bald rannte ich in die schwarze Finsternis, ins Vergessen, wo es in dieser Nacht nichts gab außer dem Schrei der Eulen und dem Surren der Mücken und den Geistern von landenden Flugzeugen, stotternde Motoren, die schließlich in trostlosem Schweigen das Land erreichen.
    » Lass mich in Ruhe!«, schrie ich.
    » Warte«, sagte er, und ich spürte seine Hand auf meiner Schulter.
    » Verdammt, was willst du?«, schnauzte ich ihn mit geballten Fäusten an.
    » Es ist nur… etwas ist zurückgekommen, Ell. Hier drin. Charlie meint, ich muss dich fragen.«
    » Was musst du mich fragen?«, sagte ich mit fremder, kalter Stimme.
    » Das Wort › Trehaven‹, was bedeutet das?«

Ich blickte hoch und sah Alan von der Brücke winken. Als wir auf ihn zukamen, wirkte er nervös, und als wir dann vor ihm standen, sprach er deutlich und laut, als habe mein Bruder nicht bloß sein Gedächtnis verloren, sondern auch sein Gehör.
    » Ich bin Alan, Joe. Ich kenne dich schon, seit du ein kleiner Junge warst. Seit du so groß bist«, und er machte eine Geste mit der Hand, in einer Höhe, die meinen Bruder zu einem Liliputaner gemacht hätte.
    » Seit er sechzehn ist«, sagte ich.
    » War er wirklich schon so alt?«, fragte Alan an mich gewandt.
    » Ja, ich war elf.«
    » Nun ja, er war nicht gerade groß für sechzehn«, sagte Alan. » Das ist alles, was ich dazu sagen kann.«
    » Gut zu wissen«, sagte mein Bruder. » Und keine Sorge, Alan. Ich erinnere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher