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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern
Autoren: Kirsten Winkelmann
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haben nicht genug Leute, Enno. Und diese Software ist extrem aufwendig. Also komm, sag mir nicht, dass du dich zeitlich hast unter Druck setzen lassen!“
    „Er braucht die Software nun mal bis nächsten Sommer“, sagte Enno kleinlaut. „Aber krieg jetzt bloß keine Krise. Du hast über ein Jahr Zeit. Außerdem ist das eh nur ein Richtwert. Wenn wir den Auftrag erst einmal haben, kann er sich nicht mehr umentscheiden. Selbst wenn wir eine kleine Vertragsstrafe zahlen müssen, kommen wir noch hervorragend dabei weg!“
    „Du … du kompletter Vollidiot“, schimpfte Arvin. „Ich habe dir doch gesagt, dass er diese Software von keinem Unternehmen dieser Welt in einem solchen Zeitraum bekommen wird. Du hättest hart bleiben sollen!“ Er war inzwischen aufgestanden und wanderte unruhig im Zimmer auf und ab. „Ich kann nicht arbeiten, wenn man mich hetzt!“
    „Unsinn“, konterte Enno. „In Wirklichkeit läufst du unter Druck zur Hochform auf. Du merkst es nur nicht!“
    Arvin blieb stehen und seufzte tief. „Ich begreife nicht, warum ich dich immer alleine in diese Verhandlungen schicke.“
    „Du bist nun mal der Programmierer und ich der Manager. Läuft doch ganz gut, oder etwa nicht?“
    „Gut lief es vor ein paar Jahren“, widersprach Arvin. „In letzter Zeit leben wir von der Hand in den Mund.“
    „Was der Grund dafür ist, dass wir neue Aufträge brauchen.“
    „Ich weiß nicht“, überlegte Arvin. „Irgendwie hab ich das Gefühl, dass wir mehr Aufträge haben als früher. Jedenfalls arbeite ich wie ein Verrückter. Wie können dann die Gewinne zurückgehen?“
    „Inflation und Preisverfall“, entgegnete Enno. „Und zwar in einer ungünstigen Kombination. Aber das ist BWL. Davon verstehst du nichts.“
    Arvin antwortete nicht. Er hatte auch gar nicht richtig zugehört. Stattdessen starrte er interessiert aus dem Fenster und betrachtete die Menschenmenge, die sich auf der Rasenfläche direkt vor dem Gebäude versammelt hatte. Eine seltsame Unruhe ging von ihr aus. Einige Leute riefen irgendetwas, andere zeigten aufgeregt auf das Gebäude. Außerdem kamen immer mehr Menschen hinzu.
    Arvin begann unwillkürlich zu schnuppern. Das sah fast so aus, als hätten die Leute das Gebäude verlassen, weil es irgendwo angefangen hatte zu brennen. Aber das war Unsinn, oder? Auf jeden Fall roch er nichts – nichts außer süßlichen Blumen jedenfalls.
    „Arvin?“, fragte Enno jetzt schon zum dritten Mal in Folge.
    „Irgendetwas stimmt hier nicht“, murmelte Arvin. „Ich ruf dich später wieder an.“ Dann schaltete er das Telefon aus, ließ es in seiner Jackentasche verschwinden und eilte auf den Flur hinaus. Dort machte er sich auf die Suche nach irgendeiner Schwester. Zunächst fand er keine, aber dann stieß er beinahe mit Frau Barkfrede zusammen, die aus einem der Schwesternzimmer auf den Flur hinausstürmte.
    „Oh, Sie sind es“, entfuhr es ihr. „Es tut mir leid, aber Sie werden sich noch einen Moment gedulden müssen. Je größer das Krankenhaus, desto größer die Koordinationsschwierigkeiten.“ Sie stieß einen theatralischen Seufzer aus. „Manchmal habe ich wirklich den Eindruck, dass hier die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Aber machen Sie sich keine Sorgen, ich werde Ihre Frau schon auftreiben. Es wäre allerdings besser, wenn Sie im Zimmer oder im Aufenthaltsraum warten würden. Sonst suche ich am Ende auch noch Sie. Ginge das?“
    „Was ist draußen los?“, erkundigte sich Arvin in der für ihn typischen, etwas wortkargen Art.
    „Wie … draußen ?“
    „Die Menschentraube auf dem Rasen“, erläuterte Arvin.
    Frau Barkfrede zog die Stirn in Falten. „Ich weiß von keiner Menschentraube.“
    „Im Falle eines Brandes würde doch sicherlich Alarm ausgelöst, oder?“
    Schwester Barkfrede starrte ihr Gegenüber entgeistert an. „Sie machen mich nervös“, sagte sie und setzte sich im nächsten Moment auch schon in Bewegung.
    Arvin folgte ihr … über den Flur … in das nächstbeste Krankenzimmer … bis hin zum Fenster.
    „Entschuldigung“, sagte er ein wenig verlegen in Richtung der beiden älteren Damen, die den unverhofften Besuch in ihrem Zweibettzimmer ein wenig verdattert zur Kenntnis nahmen.
    „Das ist ja … Was machen die denn da?“, stammelte Frau Barkfrede, als sie die Versammlung auf dem Rasen sah.
    „Es sind jetzt siebenunddreißig Leute, acht mehr als noch vor fünf Minuten“, stellte Arvin fest.
    Ella Barkfrede wandte den Kopf und starrte Arvin
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