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Die stummen Götter

Die stummen Götter

Titel: Die stummen Götter
Autoren: Arne Sjöberg
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I
    Der erste, der verschwand, war Gorris. Zweiunddreißig Stunden später traf es Wagner. Sobik und Carnsten holten sie zwei Tage darauf. Von da an wagte es keiner der Landungsgruppe mehr, sich weiter als ein paar Dutzend Schritte von der Station zu ent fernen. Wir hockten vielmehr drinnen, in den mehr oder weniger wohnlich hergerichteten Räumen und wechselten über Sprech funk und Video aufgeregte Ratlosigkeiten mit der ALGOL. Das Schiff lag gute zweihundertfünfzig Kilometer über uns auf Park bahn im Raum. Wieder drei Tage später begann rings um die Station herum der Wall emporzuwachsen.
    Zunächst war das kaum zu bemerken gewesen. Nicht mehr als eine kreisförmige Linie schien sich da in dem mit bläulichem, niedrigem Moos bewachsenen flachen Gelände abzuzeichnen. Wenige Stunden darauf jedoch war schon mehr zu erkennen. Zu diesem Zeitpunkt maß die Wallhöhe etwa zwanzig Zenti meter, und seine Breite betrug einen knappen Meter. Die Vermessung des Neigungswinkels führte zu dem deprimierenden Ergebnis, daß wir in fünf oder sechs Tagen sozusagen zuge wachsen sein würden, gefangen wären unter einer Art Glocke, die etwa die Form eines Eskimoiglus haben mochte.
    Nicht, daß wir das nun als unmittelbar existenzbedrohend empfunden hätten. Wir hatten immer noch die Steiggleiter und konnten jederzeit zur ALGOL zurück. Wir konnten auch, zu mindest solange der Wall noch niedriger war, die Station ein fach abreißen und ein paar hundert Meter hin wieder aufbauen. Ebenso war es möglich, im schlimmsten Fall den Antimaterie werfer einzusetzen und unseren langsam aus dem Boden stei genden Kerker in Fetzen zu schießen. Nur daß dies alles eben keine Lösung darstellte, keine wirkliche Lösung, und immer nur auf eine Kapitulation hinausgelaufen wäre. Immerhin war dies letzte nun in der langen Kette der Überraschungen, die uns die ser Planet schon bereitet hatte, vielleicht nicht das schlimmste, sicherlich aber das bedrückendste und unsere tatsächliche Ohn macht am deutlichsten demonstrierende.
    Das Material, aus dem der Wall bestand, war von sehr eigen tümlicher Natur. Weder gelang es mit mechanischen Mitteln auch nur ein Stückchen davon herauszulösen, noch führte selbst der Einsatz des Plasmabrenners zu einem nennenswerten Ergeb nis. Lediglich interessante Farbspiele waren dabei zu beobachten und ein erstaunliches physikalisches Phänomen. Bevor wir mit dem Brenner an den Wall herangingen, war er nahezu durch sichtig gewesen, wie Eis oder schwach getrübtes Glas, und bloß tief in seinem Innern hatte man langsam pulsierende, ins Vio lette hinüberspielende Lichtreflexe bemerken können. Sowie aber das Material von dem Hitzestrahl getroffen wurde, ver färbte es sich ins Bleigraue, wurde blind, stumpf, undurchsich tig, und dies nicht nur an der Stelle, die wir direkt bearbeiteten, sondern der gesamte Wall ringsum. Mit fortschreitender Erhit zung fanden sich dann gelbliche und rötliche Farbtöne ein, die in Wellen rings um die Wandung liefen. Kurz darauf verschwan den auch diese wieder, und die Färbung wandelte sich um in ein tiefes, strahlendes Blau. Dabei blieb es dann, und der Wall wurde gleichzeitig wieder durchsichtig. Es war wie das Um schlagen eines Indikators bei einem Laborversuch.
    Das Befremdlichste jedoch wurde durch Zufall entdeckt. Einer von uns, ich glaube, es war Bergander, stieg, wegen der Ergeb nislosigkeit unserer Bemühungen fluchend, über den immer noch lächerlich niedrigen Wall hinweg und konnte dann einen hefti gen Ausruf des Erstaunens nicht unterdrücken. Von dorther be trachtet, von der Außenseite also, sah der Wall genauso aus wie anfangs auch von innen: wie leicht getrübtes Glas eben, wie rauhes Eis, und in seinem Innern dieses träg pulsierende Violett. Gleichzeitig war hier nicht das geringste von einer Erwärmung zu spüren. Die Oberfläche fühlte sich nicht nur normal und kühl an, sie sah auch auf den ersten Blick schon so aus.
    Wir stiegen hin und her, beschauten uns das von hüben und drüben, schüttelten den Kopf und sahen auf die Thermometer: Es war Tatsache! Innen, dort, wo wir mit dem Gebläse direkt an das Material herangegangen waren, wies es eine Temperatur von nahezu dreitausend Grad auf, auf der Außenseite, dieser Stelle genau gegenüber, war nicht mehr zu messen als die nor male Lufttemperatur der Umgebung – etwa achtzehn Grad Celsius.
    Wir packten zusammen und zogen stumm zurück in die Sta tion. Nur der ewig nervös-beunruhigte Ekenberg schleppte allerhand
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