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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug
Autoren: Philippa Pearce
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steckte. Er ging nach unten und fragte, ob er noch eine Tasse Tee mit Mrs Bartholomew trinken dürfe. Tante Gwen war viel zu überrascht, um zu widersprechen oder ihm auch nur Fragen zu stellen.
    Tom kehrte zu Mrs Bartholomew zurück, die gerade Tee gekocht hatte und dazu Sandkuchen auf den Tisch stellte. Sie setzten sich und sprachen über den Garten.
    Sie tauschten Geschichten und Geheimnisse aus. Tom fragte nach Abel, und Mrs Bartholomew sagte, er habe Susan geheiratet und sie hätten viele Kinder gehabt und seien glücklich gewesen. Dann erzählte ihr Tom, dass Abel der Einzige außer ihr gewesen war, der ihn hatte sehen können. »Sieh an!«, sagte Mrs Bartholomew recht verdutzt. »Und Tante Melbourne hat sich immer so verächtlich über Abel ausgelassen. Sie sagte, er sei dumm wie eine Kuh auf der Wiese.«
    »Nun«, sagte Tom vergnügt, »die Kühe auf der Wiese konnten mich sehen; sie konnte das nie.«
    Mrs Bartholomew lachte über diese Bemerkung – jetzt konnte sie es sich leisten, über Tante Melbourne zu lachen. Und dann war sie an der Reihe, Tom ein Geheimnis über den Garten zu erzählen. Sie gestand ihm, dass sie vor langer Zeit etwas getan hatte, was er nicht wollte. »Du hast mir gesagt, ich solle keine Zeichen und Anfangsbuchstaben in die Baumstämme ritzen, Tom. Aber als du mir beigebracht hattest, wie ich Tricksy hinaufrobben konnte, habe ich unsere Zeichen dort eingeritzt: eine lange schlanke Katze für dich, Tom, die einen Hut trägt als Zeichen für mich – mein Gott, es hat komisch ausgesehen! Ich hab's dir nie gesagt.«
    »Einmal wollte ich über den Zaun im Hinterhof klettern, um mir Tricksy anzusehen«, sagte Tom. »Vielleicht hätte ich das Zeichen dort gefunden.«
    »Es könnte noch zu sehen sein.«
    So redeten sie weiter über den Garten, bis die Standuhr Mittag schlug. Tom sprang auf, denn er musste gehen. Unten würde das Mittagessen fertig sein; und nach dem Essen würde er nach Hause fahren.
    »Aber du kommst doch wieder?!«, rief Mrs Bartholomew. »Und was ist mit deinem Bruder, den ich in Ely gesehen habe – wie war noch mal sein Name?«
    »Peter«, sagte Tom und sah schuldbewusst drein, denn ihm fiel wieder ein, dass er Peter vergessen hatte, erst vor Entsetzen, den Garten verloren zu haben, dann vor Verblüffung und Freude, ihn in Mrs Bartholomews Erinnerung wieder zu finden.
    Er setzte sich wieder zu ihr und erzählte von Peter und vor allem, wie gern Peter vom Garten und ihren Abenteuern dort gehört hatte. »Du musst ihn das nächste Mal unbedingt mit bringen«, sagte Mrs Bartholomew entschieden. »Versprichst du mir, Peter zu sagen, dass ich ihn erwarte?«
    Tom versprach es. Er stellte fest, dass er sich nun doch darauf freute, nach Hause zu kommen. Es würde ein herzliches Willkommen geben, und wenn sie sich alle begrüßt hätten, würde er Peter in den eigenen kleinen Garten hinter dem Haus ziehen und ihm ins Ohr flüstern: »Peter, ich muss dir ein Geheimnis über den anderen Garten erzählen, und ich hab eine Einladung für dich von Hatty.«
    Doch zuvor musste sich Tom nun wirklich von Mrs Bartholomew verabschieden oder er würde zu spät zum Mittagessen kommen. Tante Gwen erwartete ihn bereits gespannt. Von Mrs Bartholomews Wohnungstür aus sah Tom sie unten Ausschau halten, und auch Mrs Bartholomew bemerkte sie.
    »Auf Wiedersehen, Mrs Bartholomew«, sagte Tom und schüttelte mit steifer Höflichkeit ihre Hand. »Und vielen Dank für die Einladung.«
    »Ich freu mich darauf, dich wieder zu sehen«, sagte Mrs Bartholomew ebenfalls etwas steif.
    Tom stieg langsam die Treppe hinunter. Dann, unten angekommen, zögerte er; jäh drehte er sich um und rannte erneut die Stufen hoch, zwei auf einmal nehmend, hinauf zu Mrs Bartholomew, die immer noch an der Tür stand…

    Später versuchte Tante Gwen ihrem Gatten diese nochmalige Begegnung zu beschreiben. »Er rannte zu ihr hoch, und sie umarmten sich, als ob sie sich schon jahrelang kennen würden und nicht erst seit heute Morgen. Und da ist noch etwas, Alan, auch wenn du sagen wirst, dass es noch unsinniger klingt… Natürlich ist die alte Mrs Bartholomew schon ein wenig geschrumpft, sie ist jedenfalls kaum größer als Tom, aber wie auch immer, er hat ihr die Arme um die Schultern geworfen und sie zum Abschied umarmt, als ob sie ein kleines Mädchen wäre.«

Philippa Pearce wurde 1920 in Great Shelford in England geboren. Nach ihrem Studium der englischen Literatur in Cambridge arbeitete sie unter anderem als Redakteurin
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