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Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Titel: Godspeed Bd. 2 - Die Suche
Autoren: Beth Revis
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1
    Junior
    »Das wird nicht einfach werden«, murmele ich und starre die massive Metalltür auf dem Technikdeck an, hinter der sich der Maschinenraum der Godspeed befindet. In dem matten Spiegelbild sehe ich die dunklen Augen des Ältesten, kurz bevor er starb. Ich sehe Orions triumphierendes Grinsen. Irgendwo unter meinem geklonten Äußeren und dem Echo aller Ältesten vor mir muss es etwas geben, das mir ganz allein gehört, etwas Einzigartiges, das nicht im Klonmaterial zwei Decks unter mir zu finden ist.
    Zumindest hoffe ich das.
    Ich fahre mit dem Daumen über den biometrischen Scanner und die Tür zischt auf. Dabei nimmt sie das Spiegelbild eines Gesichts mit, das sich nie wie mein eigenes angefühlt hat.
    Ein mechanischer Geruch – eine Mischung aus Metall, Schmierfett und Verbrennung – umhüllt mich beim Betreten des Maschinenraums. Die Wände vibrieren im Takt des gedämpften Herzschlags des Schiffs. Es ist ein rhythmisches Brummen und Schnarren, das ich immer faszinierend fand.
    Die Leitenden Techniker stehen stramm und warten auf mich. Normalerweise herrscht im Maschinenraum geschäftiges Treiben, weil die Techniker herauszufinden versuchen, was unserem bleigekühlten Schnellen Brüter die Kraft raubt, aber heute habe ich um ein Gespräch mit den Leitenden Technikern gebeten, den ranghöchsten Offizieren, die unter mir dienen.
    Verglichen mit ihnen komme ich mir schäbig vor. Meine Haare sind zu lang und zerzaust, und während meine Kleidung schon längst hätte recycelt werden müssen, sitzen ihre dunklen Tuniken und die ordentlich gebügelten Hosen perfekt. Es ist keine Uniform – niemand an Bord trägt Uniform –, aber die Erste Technikerin Marae verlangt ein gepflegtes Erscheinungsbild von ihren Untergebenen, vor allem aber von den ranghohen Technikern, die dieselbe dunkle Kleidung tragen wie sie.
    Marae gehört zur Generation der Zwanzigjährigen, ist also nur ein paar Jahre älter als ich. Aber trotzdem hat sie schon Fältchen um die Augen und ihre Mundwinkel haben eine deutliche Abwärtstendenz. Ihr Haaransatz ist so akkurat geschoren, dass ein Zimmerer an dieser Linie prüfen könnte, ob seine Wasserwaage richtig funktioniert. Amy sagt, dass auf der Godspeed alle Leute gleich aussehen. Da wir monoethnisch sind, hat sie damit vermutlich in gewisser Weise recht. Aber niemand würde Marae mit jemand anderem verwechseln oder sie für etwas anderes halten als die Leitende Technikerin.
    »Ältester«, sagt sie zur Begrüßung.
    »Ich sagte doch schon – nenn mich Junior.«
    Maraes mürrischer Gesichtsausdruck wird noch finsterer. Die Leute haben sofort angefangen, mich Ältester zu nennen, als ich diese Rolle übernommen habe. Ich wusste natürlich, dass ich irgendwann der Älteste sein würde, aber ich habe nie damit gerechnet, dass es so schnell geschehen würde. Aber immerhin wurde ich für diesen Job geboren. Ich bin dieser Job. Und auch wenn ich es in mir selbst nicht sehen kann, sehe ich es an der Art, wie die Techniker strammstehen und wie Marae darauf wartet, dass ich etwas sage.
    Es ist nur … ich will diesen Titel nicht hören. Jemand hat mich vor Amy mit »Ältester« angesprochen, und ich konnte es nicht ertragen, wie sich ihre Augen verengten und wie ihr Körper erstarrte, nur für einen Augenblick, gerade lange genug, um zu erkennen, dass ich es nicht erleben möchte, dass sie mich noch einmal so ansieht, wie sie den Ältesten angesehen hat.
    »Ich kann Ältester sein, auch ohne meinen Namen zu ändern«, sage ich.
    Marae scheint anderer Meinung zu sein, widerspricht aber nicht.
    Die anderen Techniker sehen mich abwartend an. Sie stehen bewegungslos da, mit geradem Rücken, die ausdruckslosen Gesichter mir zugewandt. Ich weiß, dass ein Teil dieser Perfektion Maraes starker Hand zuzuschreiben ist, aber mir ist auch klar, dass es der Älteste so verlangt hat, bevor er umgebracht wurde, denn er hat von all seinen Untergebenen diese Perfektion erwartet.
    Mir ist dieser stoische Gehorsam zuwider.
    Ich räuspere mich.
    »Ich, äh, muss mit euch über den Antrieb sprechen.« Ich schlucke, denn mein Mund ist trocken und schmeckt irgendwie bitter. Ich sehe die Techniker nicht an, jedenfalls nicht direkt. Wenn ich in ihre älteren, viel erfahreneren Gesichter sehen würde, würde ich garantiert die Nerven verlieren.
    Ich denke an Amy. Als ich Amy das erste Mal gesehen habe, konnte ich nur ihre leuchtend roten Haare erkennen, die verwirbelt waren wie rote Tinte in gefrorenem Wasser, und
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