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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug
Autoren: Philippa Pearce
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In die Fremde
    F alls Tom weinte, als er allein an der Tür zum Garten stand, dann waren es Tränen des Zorns. Er wollte sich vom Garten verabschieden, voller Wut, weil er ihn verlassen musste – und Peter dazu. Dabei hatten sie beide in den Ferien hier im Garten viel Spaß haben wollen.
    Stadtgärten sind in der Regel klein und der Garten der Familie Long war keine Ausnahme. Es gab ein Gemüsebeet und ein Blumenbeet, einen Fleck Rasen und hinten am Zaun ein kleines Stück Wildnis. Dort stand der Apfelbaum. Er war groß, trug jedoch wenig Früchte, und so hatten die beiden ihn zu ihrem Kletterbaum machen dürfen. In diesen Ferien wollten sie eigentlich ein Baumhaus zwischen die Äste bauen.
    Tom sah ein letztes Mal hinüber zum Apfelbaum, dann ging er ins Haus zurück. Am Fuß der Treppe rief er: »Bis dann, Peter.« Von oben kam eine gekrächzte Antwort.
    Draußen auf der Vordertreppe wartete seine Mutter mit dem Koffer in der Hand. Tom streckte die Hand danach aus, doch Mrs Long hielt ihn noch einen Moment lang fest, erst sollte er ihr zuhören. »Ich weiß, Tom«, sagte sie, »es ist nicht schön, dass du einfach fortgeschickt wirst, damit du dich nicht ansteckst, aber uns tut es auch Leid. Dein Vater und ich werden dich vermissen und Peter auch. Peter geht's ohnehin nicht so gut mit den Masern.«
    »Ich hab ja nicht behauptet, dass ihr euch alle prächtig amüsiert, während ich weg bin«, sagte Tom. »Ich meinte nur –«
    »Schhh!«, unterbrach ihn die Mutter und sah an ihm vorbei zu dem Wagen, der auf der Straße wartete, und dem Mann am Steuer. Sie reichte Tom den Koffer, dann beugte sie sich zu ihm hinunter und zurrte seine Krawatte fest, um den Kragenknopf zu verdecken. »Tom, lieber Tom –«, murmelte sie, »denk dran, du bist zu Besuch, und versuch – ach, was soll ich sagen? –, versuch, anständig zu sein.«
    Sie gab ihm einen Kuss und entließ ihn mit einem kleinen Schubs. Tom ging zum Wagen und stieg ein. Mrs Long steckte den Kopf durch das Seitenfenster und wandte sich an den Fahrer. »Liebe Grüße an Gwen«, sagte sie, »und, Alan, richte ihr aus, wie dankbar wir euch beiden sind, dass ihr Tom so kurzfristig aufnehmt. Das ist sehr nett von euch, nicht wahr, Tom?«
    »Sehr nett«, wiederholte Tom bitter.
    »Wenn jemand krank ist«, sagte Mrs Long, »ist so wenig Platz im Haus.«
    »Wir freuen uns doch, euch helfen zu können«, sagte Alan. Er ließ den Wagen an.
    Tom kurbelte das Fenster herunter. »Also, macht's gut!«
    »Ach Tom! Es tut mir Leid – dir die Sommerferien so zu vermasseln!«
    Schon fuhr der Wagen an, und Tom musste zurückrufen: »Ich hätte lieber zusammen mit Peter die Masern – viel lieber!«
    Tom winkte der Mutter zornig Adieu und dann, ungeachtet des vorhersagbaren Ärgers für Peter, winkte er auch einem fiebrig erhitzten Gesicht zu, das gegen ein Schlafzimmerfenster gedrückt war. Mrs Long sah hoch, schüttelte missbilligend den Kopf – eigentlich durfte Peter auf keinen Fall aufstehen – und rannte zurück ins Haus.
    Tom schloss das Wagenfenster, ließ sich in den Sitz fallen und verstummte abweisend. Sein Onkel räusperte sich: »Nun, ich hoffe, wir kommen einigermaßen miteinander aus.«
    Das war keine Frage und Tom antwortete deshalb nicht.
    Er wusste, dass er unhöflich war, doch er legte sich Gründe dafür zurecht. Er mochte Onkel Alan nicht besonders und er wollte ihn auch gar nicht mögen. Tatsächlich wäre es ihm fast lieber gewesen, wenn Onkel Alan gemein zu ihm wäre. Wenn er mich nur schlagen würde, dachte Tom, dann könnte ich weglaufen und nach Hause zurück, und niemand würde mir deshalb Vorwürfe machen, trotz der Quarantäne wegen der Masern. Aber er wird nie auch nur versuchen, mich zu schlagen, das weiß ich; und Tante Gwen – sie ist noch schlimmer, sie mag Kinder, und sie ist wirklich nett. Wochenlang mit Onkel Alan und Tante Gwen in einer winzigen Wohnung eingesperrt zu sein … Er hatte sie noch nie besucht, doch er wusste, dass sie in einer Mietwohnung lebten, ohne Garten.
    Schweigend fuhren sie dahin. Der Weg führte sie durch Ely, doch sie machten nur einmal Halt, weil Alan Kitson eine Postkarte vom Turm der Kathedrale kaufen wollte. Er schenkte sie Tom. Tom war bitter enttäuscht, dass er nicht auf den Turm steigen durfte, doch sein Onkel erklärte ihm sehr einleuchtend, warum dies nicht in Frage kam, schließlich war er in Quarantäne wegen der Masern. Er durfte nichts mit Peter zusammen unternehmen, damit er nicht die Masern bekam,
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