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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust
Autoren: Willibald Spatz
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konnte das nicht leugnen. Immer gerade die, die sonst ihr ganzes Leben kerngesund waren, trifft es dann auf einmal mit voller Wucht. Nichts bis jetzt und dann plötzlich: Schluss in zwei Monaten. Was ich noch zu sagen hätte, dauert diese eine Zigarette, auf die es auch nicht mehr ankommt.
    Birne überlegte – in der doppelten Bedeutung des Wortes – fieberhaft und kam zu der Meinung, dass er ja im Prinzip beim besten Willen nicht als der Inbegriff von Kerngesundheit durchgehen konnte. Im Grunde, wenn man genau nachdachte, hatte er jeden Monat eine Kleinigkeit, mal einen Husten, mal ein bisschen Durchfall, gelegentlich auch mal so eine Art leichte Mittelohrentzündung. Sein Herz, dazu fehlte ihm der Vergleich, schließlich trug er immer nur seines in der Brust, das machte ab und an Sprünge, von denen er nicht sicher sagen wollte, dass die in Ordnung waren.
    Birne wollte sich jetzt ablenken. Er fragte, nicht nur weil er es wirklich nicht wusste, sondern weil er es auch wissen wollte: »Was red ich denn, wenn ich im Schlaf red ?«
    Der Graue grinste, dann lachte er, dann rang er nach Luft, und Birne dachte: Tolle Gespräche führen wir hier.
    »Sagen Sie mal, wenn dann stecken Sie nicht allzu weit drin in einer festen Beziehung?«
    »Das hört man mir also an im Schlaf?«
    »Wenn man eins und eins zusammenzählen kann, aber keine Sorge, ich kenn keinen, dem ich es erzählen könnte und werde wahrscheinlich auch niemanden mehr kennenlernen.«
    Beide Männer sagten eine Weile nichts. Sie würden nicht scherzend weiterreden können, sie sammelten sich, um ernsthafter miteinander zu sprechen.
    »Ich wollt Sie nicht verstören, mein Lieber, tut mir leid, man wird so, mit dem Tod an der Bettkante. Kann Ihnen auch so gehen, sobald das nächste Mal der Arzt da war und Ihnen was mitteilt.«
    »Bitte, ist in Ordnung. Ich sollte mehr Gespür haben.«
    »Was machen Sie beruflich?«
    »Ich bin Polizist.«
    »Ach, das ist ja schön«
    »Ich bin direkt vom Dienst hierher gekommen.«
    »Sind Sie angeschossen?«
    »Ach wo, kein einziger Schuss ist gefallen.«
    »Dann sind die Gauner auf freiem Fuß?«
    »Könnte man so sagen, und solange ich hier liege, haben sie genügend Zeit, noch mehr zu werden.«
    »Scheiße.«
    »Sie sagen es.«
    »Welche Art von Gauner jagen Sie?«
    »Ach, alles Mögliche.«
    »Na, ein bisschen genauer können Sie es schon machen: Sind es Kleinkriminelle, Fixer, Spießer, Dealer oder mehr so Mafia?«
    »Oh, mehr so Mafia.«
    »Dann müssen Sie aber schon ganz schön weit oben sein in der Polizeirangfolge.«
    »Ganz im Gegenteil: gerade erst eingestiegen.«
    »Was Sie nicht sagen.«
    »Zurzeit ist internationale Terrorgefahr, da braucht man jeden Mann an dieser Front.« Birne versuchte zu lachen, als ob er einen Witz gerissen hätte.
    »Das ist mir alles so fern, mir ist so düster, verstehen Sie, bald ist die Erde mich los und das Schlimmste ist: Mir fällt nichts ein, was ich gern noch getan hätte, bevor ich hier abtrete. Ich könnt sofort gehen.«
    »Familie?«
    »Vergessen Sie’s. Sogar versucht, aber ich bin kein solcher Mensch. Ich hätt gedacht, wegen meiner Gedanken würd man mich mal vermissen. Scheißdreck.«
    »Wieso? Sind sie nicht gut?«
    »Keine Ahnung, ich halt sie ja für brillant, aber keine Ahnung, was einer dazu sagen würde, der was versteht von Gedanken, ob der mich auslachen würde.«
    »Haben Sie sie aufgeschrieben?«
    »Teilweise, ein paar wesentliche fehlen noch. Das könnt ich noch machen, bis mir der Stift aus der Hand fällt. Malone stirbt. Gute Idee.«
    »Haben Sie bereits etwas veröffentlicht?«
    »Ach wo, wer soll denn so etwas schon veröffentlichen?«
    »Müsst man sich halt mal darum kümmern.«
    »Müsst man erst mal selbst davon überzeugt sein.«
    »Jetzt bin ich doch da, erzählen Sie mir, was Sie noch drückt. Und ich sage Ihnen, ob’s was taugt. Weiß ja ein bisschen was, denk ja selbst dauernd über was nach.«
    »Und was ist, wenn’s Ihnen nicht taugt, wenn es der halben Menschheit taugen würde und nur Ihnen nicht. Dann stürbe ich mit dem schlechten Gefühl, nur Scheiße gedacht zu haben.«
    »Nein, nein, keine Sorge, ich verspreche, mich anzustrengen, Ihnen nicht ansatzweise dieses Gefühl zu geben.«
    »Ach …, wie heißen Sie eigentlich?«
    »Birne, sagen Sie Birne zu mir.«
    »Ach, Birne, ich hoff, es ist was Ernsthaftes bei Ihnen, dass Sie mir möglichst lange als Zimmerkamerad erhalten bleiben.«
    »Na, und andersrum, wär ich schnell wieder raus, könnt
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