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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust
Autoren: Willibald Spatz
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liefern – natürlich erst, nachdem sie ihren Dienst verrichtet hatte. Man kann spekulieren, woher dieses ehrlich verdiente Geld gekommen ist, ob es aus Geschäften mit Zuhälterbekanntschaften stammt. Wahrscheinlich. Man kann weiterhin darüber spekulieren, warum ein Todgeweihter so geldgeil war, dass er alte Freundinnen, denen er sogar mal was bedeutet hat, ins Verderben stürzen wollte. Aber angeblich ging es ihm ja besser, die verfluchte Hoffnung hatte sich in ihm geregt und nun war sie ihm zum Verhängnis geworden.
    Nina hätte ihm einfach gutgetan, danach wäre er vielleicht eingeschlafen.
    Der Glatzkopf gestand Zuhälterei, Nötigung, Gewaltanwendung verschiedenster Art, aber erst heute war er über die letzte Grenze gegangen und hatte einen Menschen getötet. Das war zu viel, das packte er nicht, das warf ihn um. Damit waren Birne und Nina gerettet. Und Birne hatte einen Fall gelöst, den mit dem Bordell. Das stimmte ihn inmitten dieses Schuttbergs ein wenig fröhlich.

     
    Die Kollegen kamen vor dem Notarzt, der sich gleich um den Großen kümmerte. In der Eile des Einladens hörte Birne die Sanitäter noch sagen: »Passt schon«, »Wird schon« und »Richtig gehandelt.« Das Auge des Kleinen wurde ebenfalls versorgt, es sah zwar übel aus, war aber halb so schlimm, nichts direkt reingekommen. Der Schreck im ersten Augenblick lähmte natürlich ganz schön. Sie transportierten den Glatzkopf in einem Streifenwagen ab. Die anderen Kollegen blieben, um den Tatort und die Spuren zu sichern.
    Birne testete Trimalchios Auto und fand heraus, dass man damit noch fahren konnte. Nina und Birne versuchten, damit in die Stadt zurückzukommen und ignorierten, wie albern sie in dem Auto aussehen mussten.
    »Ich weiß nicht, was du erwartet hast.« Sie sagte nichts weiter.
    Birne war dran, aber er antwortete nicht.
    Dann gab sie nach: »Ich versteh nicht, warum du auf einmal deinen Hochmoralischen hast. Lass uns doch Zeit. Jetzt kann doch die Stunde null sein – wir können anfangen, alles, was bisher war, ist nicht geschehen.«
    »Wieso redest du plötzlich so viel?«
    »Birne, es hat keinen Sinn.«
    Birne fühlte sich schwer im Sessel und er fühlte, wie er sich von diesem betrogenen Leib löste, der ihm unerträglich war, wie er wegschwebte dorthin, wo es in Ordnung war, wo alle bessere Menschen waren: Überall dort, wo nicht hier war.
    Es hatte keinen Sinn weiterzureden. Birne hatte verloren und er hasste sich dafür, aber am meisten hasste er die anderen, allen voran die, die neben ihm saß.
    »Sag was«, forderte sie, die in Birnes Augen nichts mehr zu fordern hatte, nicht von ihm oder von irgendjemandem auf der Welt.
    »Hast du die Tüte?«, fragte Birne.
    Sie raschelte damit unter ihrem Sitz.
    »Dann hast du ja alles, was du willst.«
    Sie blickte nach draußen, antwortete nicht. Und alle draußen blickten zu ihnen rein in das demolierte Auto auf das eigenartige, kaputte Paar.

     
    Birne kaufte sich an diesem Abend eine Halbe Bier. An diesem Abend, nachdem er sie zum Bahnhof gebracht hatte. Sie hatte ihn umarmt und fuhr nun irgendwohin.
    Trimalchio hatte Tränen in den Augen, als er sein Auto sah. Totalschaden, nichts zu machen, ein Versicherungsfall, aber die Freundschaft würde nie mehr dieselbe sein.
    Sie lobten ihn wegen des Zuhälters. Das organisierte Verbrechen hatte einen schweren Schlag erlitten in dieser Stadt. Birnes Ruf als Ausnahmepolizist festigte sich und zog Kreise.
    Birne interessierte das nicht. Ben sagte vor Gericht, dass er den Rentner im Wald weggeschossen hatte wie ein Stück Reh, seine Frau widersprach, Birne schloss sich Bens Version an und kam frei.
    Ohne Konsequenzen hatte er einen Menschen umgebracht. Er fühlte immer noch nichts Schlechtes dabei. Er machte sich Sorgen um seine Seele. Er dachte, dass es nicht an dem Menschen lag, der durch ihn starb. Es war ein Ekel in ihm, der sich seit Jahren angestaut hatte und durch einen Schuss seinen Weg nach draußen fand. Jetzt war Platz in ihm frei, da konnte neuer Überdruss wachsen oder mal was Schönes, nach Jahren wieder mal was Schönes.
    Nina schrieb ihm einen unbekümmerten Brief. Alles sei gut, sie vermisse ihn, die Zeit mit ihm, er solle sie besuchen oder sie ihn. Alles sei gut. Birne dachte nicht einen Moment darüber nach und schmiss den Schrieb in den Papierkorb. Schließlich besaß er Ehre.
    Tanja, die er von der Bettkante gestoßen hatte, behandelte ihn mit herablassender Höflichkeit. Birne war damit einverstanden, er fand
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