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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust
Autoren: Willibald Spatz
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das sehr schwer und nur im Wageninneren ging.
    Schließlich rauchte er, an die geschlossene Fahrertür gelehnt. Das Nikotin stieg ihm sofort in den Kopf und wirkte. Ihm gefiel das, er legte den Kopf in den Nacken. Das Warten kam ins Rollen.
    Dann fing es heftiger zu regnen an. Er musste wieder rein. Er nahm sich den Straßenatlas und blätterte darin, suchte Strecken, von dem Ort, an dem er jetzt war, zu den Orten, an denen er früher war. Er entdeckte Straßen, die er nie benutzt hatte, weil es in der Zwischenzeit neue gab, die diese alten umgingen und Dörfer von seinem Besuch ausschlossen. Birne überlegte, ob er es geschafft hätte, sich da und dort einzurichten, wie er es immer geschafft hatte, sich überall einzurichten: immer höchstens halb, nie ganz, aber immerhin.
    Bei dem Auto, das er vorhin gesehen hatte, handelte es sich um einen neueren grauen Audi. Er hatte sich getäuscht, denn er hatte doch etwas mit ihnen zu tun. Er hielt jetzt neben Trimalchios blauem BMW, den Trimalchio mehr liebte als seine wunderbare Frau. Birne beobachtete interessiert, wie ein kleiner Mann mit einer natürlichen Glatze und ein größerer mit einer rasierten ausstiegen. Er rechnete damit, dass sie auch im Haus verschwinden würden und fragte sie unverbindlich, was sie hierher geführt hatte. Erst als der Kleine neben ihm und der Große auf dem Rücksitz seines Autos saßen, erkannte er in dem Großen den, der im Puff nicht abgeschossen worden war, sondern sich über den verletzten Kollegen gebeugt hatte. Birne begriff, dass das Ärger bedeuten musste.
    Der Große blieb stumm, der Kleine grüßte, zunächst ganz freundlich: »Guten Tag.«
    Birne fand nicht, dass es unhöflich war, jemanden, der unaufgefordert in sein Auto gestiegen war, nicht herzlich zu begrüßen. Er versuchte einzuschätzen, wie viel Gewalt seinerseits nötig wäre, um möglichst wenig einstecken zu müssen. Er hoffte inständig, dass es sich in der Angelegenheit um ein Missverständnis handelte. Er wollte hier raus und in seinem Bett sein, zur Not oder auch am liebsten mit Tanja und nackt.
    Der Kleine fuhr fort: »Sie sind ein guter Polizist. Sie sind auch nach Feierabend noch sehr aktiv im Beruf. Das habe ich gemerkt, als Sie bei uns ermittelt haben. Sie waren jetzt ein paar Tage im Dauereinsatz und müssten sich eigentlich ausruhen, doch schon sind Sie wieder unterwegs. Auf Dauer kann das nicht gesund sein. Oder? Was meinen Sie?«
    »Ich kenne Sie zwar nicht, aber es freut mich, dass Sie sich um meine Gesundheit sorgen. Nicht nötig«, entgegnete Birne.
    Der Kleine redete wie ein James-Bond-Bösewicht: »Ich bedaure. Es ist ein Missverständnis. Ich sorge mich gar nicht um Ihre Gesundheit. Ich fürchte, ich werde sie sogar noch ein bisschen beeinträchtigen müssen.«
    Ein James Bond hätte sich mit einem lockeren Spruch und zwei, drei Tritten in die fremden Eier aus der misslichen Situation befreit. Birne hasste James Bond, denn er würde nun verhaut werden. Der erste Schmerz ist der deutlichste, dann ist mehr so wie in Watte und man denkt gelegentlich: Das war die Nase, die blutet, das ist warm, das waren zwei Zähne, das wird teuer und so weiter.
    Birne wurde noch aufgeklärt, wieso er sich das verdient hatte: »Wir finden, dass Sie Berufs- und Privatleben zu sehr miteinander verknüpfen. Oder: Dieses Mädchen, mit dem Sie gerade unterwegs sind, mit dem Sie sich verloben wollen, hat leider schon einen Ehemann und der ist sehr, sehr eifersüchtig. Seine Eifersucht ist viel größer als Ihre Liebe und deswegen wird er Ihnen Ihre Amorflügel ein wenig stutzen müssen. Zufällig bin ich dieser Ehemann. Und auch wenn Ihnen demnächst ein paar Knochen wehtun, werden Sie doch eine Erkenntnis mit nach Hause nehmen. Kein schlechtes Geschäft.«
    Birne machte böse Miene zum dummen Geschwätz. Er prüfte seine Möglichkeiten und tat dann das, wonach ihm am meisten war. Er stieg einfach aus. Die anderen waren so überrascht, dass Birne einige Meter durch den Regen laufen konnte, ehe ihm der Kleine nachrief: »Bleib bloß stehen, du Arschloch, sonst bring ich dich um!«
    Birne blieb stehen. Der Platz vor dem Haus war nicht asphaltiert, er war gekiest. Birne bückte sich und hob einen mittelgroßen Stein auf. Gut geworfen konnte er schmerzhaft sein. Birne schmiss und verfehlte seinen kleinen Gegner knapp: Er traf Trimalchios Auto und fügte dem einen kleinen Lackschaden zu. Birne hoffte, dass seine Lage aussichtslos genug war, um das zu rechtfertigen. Auch das
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