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Der Duft der Rose

Der Duft der Rose

Titel: Der Duft der Rose
Autoren: Daria Charon
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Prolog
    Wenn Glück die Abwesenheit von Unglück bedeutet, dann sollte ich wohl auf Wolken schweben, dachte Ghislaine, Comtesse du Plessis-Fertoc, melancholisch. So, wie alle anderen Gäste es gerade tun.
    Sie ließ ihren Blick über die fröhliche Gesellschaft schweifen, die sich auf dem benachbarten Weingut La Mimosa eingefunden hatte, um die Taufe des Stammhalters von Troy und Elaine de Rossac zu feiern.
    Troy strahlte über das ganze Gesicht, niemals zuvor hatte Ghislaine ihren ehemaligen Geliebten so glücklich gesehen. Sie kannte ihn nur als schwermütigen, stets mit seinem Schicksal hadernden Eigenbrötler.
    Als sie ihn sich vor Jahr und Tag ins Bett geholt hatte, war es nur aus einem einzigen Grund geschehen - um zu versuchen, seinen abtrünnigen Bruder Tris zu vergessen, die große Liebe ihres Lebens. Tris, der dem Zauber eines schillernden Schmetterlings in Gestalt einer koketten jungen Frau erlegen war und letztendlich mit dieser das Land auf Geheiß des Königs hatte verlassen müssen.
    Doch Ghislaine war gescheitert. Kläglich und jämmerlich, wie sie nur allzu schnell festgestellt hatte. Troy konnte sie Tris nicht vergessen lassen. Aber seine Arme boten einen tröstlichen Hafen, in dem sie sich immer dann geborgen fühlte, wenn der Schmerz sie zu überwältigen drohte. Doch auch Troy hatte sich schließlich von ihr abgewandt, sie verlassen wegen Elaine, der Schwester ausgerechnet jener Frau, die ihr Tris gestohlen hatte. Und obwohl sie Troy nicht geliebt hatte, war sie einmal mehr die Verliererin gewesen, die mit leeren Händen und leerem Herzen zurückblieb.
    Dem Schicksal hatte es gefallen, heute alle Beteiligten zum ersten Mal an einem Ort zusammenzuführen. Vermutlich wusste die gute Elaine gar nicht, dass ihren Ehemann und die an der Tafel sitzende Comtesse einmal etwas anderes als nachbarliche Freundschaft verbunden hatte, denn in Madame de Rossacs Begrüßung war keinerlei Argwohn spürbar gewesen. Deshalb konnte sie natürlich auch nichts von den Tränen und der Qual wissen, die Ghislaines Herz noch immer zerrissen, wenn sie den Namen Rossac auch nur hörte. Ein fortwährender, nicht enden wollender Schmerz, der sie jeden Augenblick ihres Daseins begleitete und sie ständig an ihr Versagen erinnerte.
    Ghislaine ließ ihren Blick weiterwandern. In einiger Entfernung saß ihr Bruder Henri de Mariasse neben einem jungen, gutaussehenden Mann. Seit fast zwei Jahren hielt sich der Herzog den hübschen Vincent als Geliebten, auch wenn er offiziell als sein Sekretär galt. Gerade lachten die beiden mit den Tischnachbarn und sprachen dem fruchtigen Wein reichlich zu. Offensichtlich genossen sie das Fest in vollen Zügen, und die sexuelle Spannung zwischen ihnen entging Ghislaine trotz der Distanz nicht.
    »Ghislaine, sieh nur, ein Marienkäfer!« Auf dem Zeigefinger, den ihr Ehemann Jacques ihr entgegenstreckte, krabbelte ein kleiner Käfer. Ungeschickt versuchte er, ihn auf seine andere Hand zu setzen, was dem Käfer gar nicht gefiel. Er spreizte die Flügel und schwirrte in den blauen Sommerhimmel.
    Jacques starrte ihm mit offenem Mund nach. »Oh, er fliegt weg. Habe ich ihm Angst gemacht?«, fragte er und fügte stirnrunzelnd hinzu: »Ich hab ihm ganz bestimmt nicht wehgetan. Ich war ganz vorsichtig, wirklich, du hast es doch gesehen.«
    Ghislaine betrachtete den Mann, mit dem sie seit zwanzig langen Jahren verheiratet war. Ihr Vater und der alte Comte du Plessis-Fertoc hatten ein Komplott geschmiedet, das sie knapp vor ihrem siebzehnten Geburtstag an einen Mann fesselte, der zeitlebens den Verstand eines Fünfjährigen besitzen würde. Voller Tränen hatte sie alle Stadien von Wut, Hass, Verzweiflung und Lethargie durchlitten, ehe sie sich mit ihrem Schicksal abgefunden hatte. Die Jahre gingen vorüber, berührten sie aber nicht, so als lebte sie in einer gläsernen Kugel. Gelegentlich nahm sie sich Liebhaber, deren Namen sie bereits vergessen hatte, wenn die Männer wieder in ihre Kleider stiegen. Dann kam Tristan de Rossac. Er war blutjung und ließ sich willig von ihr verführen. Erst viel später wurde ihr klar, dass er der Verführer gewesen war und nicht sie. Die nachfolgenden Jahre waren die glücklichsten ihres Lebens. Natürlich wusste sie immer, dass ihre Beziehung nicht für die Ewigkeit gemacht war, aber als sie einsehen musste, dass sie ihn verloren hatte, brachte sie der Schmerz fast um.
    »Ghislaine, hörst du mir zu?« Jacques zerrte an ihrem Ärmel. Sie blickte in seine großen
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