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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust
Autoren: Willibald Spatz
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gebraucht? Kann ich Sie irgendwohin fahren?«
    »Mein Mann hat es nicht gern, wenn ich das Auto benutze. Deswegen wundere ich mich ja.«
    Sie hatte ein blaues Kleid mit winzigen, unzähligen Punkten darauf an. Sein Blick blieb unwillkürlich und unweigerlich an ihrem Ausschnitt hängen. Er konnte nicht widerstehen und Trimalchio nicht verstehen. Diese Frau durfte er nicht betrügen. Frevel.
    »Alles klar. Ich bringe das Auto nachher zurück. Sind Sie da?«
    »Wahrscheinlich. Wenn nicht, werfen Sie den Schlüssel in den Briefkasten.«
    Hinter ihr, im Dunkel des Hausgangs, begann ein Hund zu bellen, es klang nach einem großen. Er hatte sich nicht gerührt, als Birne geklingelt hatte, aber beim Weggehen war er laut, so laut, dass Trimalchios Frau nicht richtig hören konnte, wie Birne sagte: »Sie sind eine unglaublich attraktive Frau.«
    Beim Anlassen und Losfahren stand sie hinter dem Fenster der geschlossenen Haustür und blickte ihm nach – wahrscheinlich sehnsüchtig.
    Birne fuhr weg. Es war ein Vorort mit kleinen Reihenhäusern aus den 60er-Jahren. Bescheiden, aber Eigenheim. So wohnte also sein Chef, es passte zu ihm, aber Birne verstand auch, dass Trimalchio hier nicht allzu viel hielt.
    Er fuhr um die Ecke, außer Sichtweite, hielt dann am Straßenrand und wählte Ninas Nummer. Sie ging nicht gleich ran. Birne ärgerte sich ein bisschen darüber. Es konnte ja immer noch sein, dass sie seine Verliebtheit, die er ihr närrisch gestanden hatte, nur ausnutzen wollte.

     
    Sie redete hastig. »Wo steckst du denn?«
    Birne erklärte ihr, dass ihn die Zeitung aufgehalten hatte.
    »Ich bin untergetaucht, ich musste verschwinden, da waren zu viele, die was von mir wollten«, antwortete sie auf seine Frage, ob die Reporter bei ihr gewesen seien.
    »Wo sollen wir uns treffen?«
    Sie nannte ihm eine Seitenstraße im Norden der Stadt, komische Gegend. Sie bat ihn, sich zu beeilen. Er versprach es ihr und fuhr los. Ihm war unwohl. Das Radio konnte nur regionale Stadtsender empfangen, die er nicht brauchen konnte. Er schaltete es aus und bog auf eine Bundesstraße ein. Es herrschte dichter Verkehr in seinen Gedanken. Wohin wollte er von hier? Was hatte er wirklich vor? Er wusste es nicht. Er würde Nina eine Chance geben, ohne großartig daran zu glauben. Zwischen ihren Welten lag zu viel. An ihm war es nun, einen großen Schritt zu wagen und Verantwortung für einen anderen Menschen zu übernehmen. Er bildete sich ein, dass ihm dazu die Reife fehlte. Am liebsten wäre ihm eine große Distanz zu allen Menschen. Als Leuchtturmwächter zum Beispiel. Oben sitzen, abends Lampe an, morgens Lampe aus, zwischenzeitlich alle Bücher lesen, die man sich vorstellen konnte. Am Wochenende ins nächste Dorf radeln und sich in einer Wirtschaft einen Rausch ankippen. Dabei reden, nichts Verbindliches. Das waren Birnes Gedanken im Feierabendverkehr. Für ihn war das kein Feierabendverkehr, sondern im Prinzip entscheidender Verkehr.
    Nina hatte sich in einen ledernen Mantel gepackt, etwas zu warm für die Jahreszeit. Sie verbarg was darunter, wenig davon war Kleidung. Sie stand mit Trauermiene am Straßenrand, die sich kaum aufhellte, als sie im nahenden Auto Birne erkannte.
    Wortlos stieg sie ein und blickte starr nach vorn. Birne fand ihr Profil wunderschön.
    »Hallo«, sagte sie, ohne sich ihm zuzuwenden. »Wir müssen nach Norden.«
    Birne fuhr nicht los. Er ließ den Motor ausgehen. »Ist alles in Ordnung?«
    Da kam Leben in sie: Sie beugte sich zu ihm herüber und umarmte ihn. Birne wurde benommen von einem süßen, großzügig aufgetragenen Parfüm; auch das mochte er. Sie klammerte sich fest an ihn und sagte – Birne meinte, ein zaghaftes Schluchzen zu vernehmen: »Birne, ich bin so froh, dass ich dich habe, ich glaube, du bist der Einzige, der was für mich tut.«
    Genau das brauchte Birne. Er nahm sie in seine Arme und hielt sie lange, vertiefte sich in ihren Atem. Alles war gut. Niemand konnte ihnen was anhaben. Sie setzte sich wieder auf und lächelte ihn an. »Ich kann mit keinem reden. Das arbeitet alles noch so in mir.«
    »Verstehe ich. Wo warst du seit gestern?«
    »Ich bin bei einer Freundin untergekommen.«
    »Olga?«
    »Olga? – Ja, bei Olga.«
    »Und bei der kannst du nicht bleiben?«
    »Du, ich will das nicht, der eine Last sein. Die hat es selbst auch nicht einfach. Ich brauche ganz was Neues. Ich sollte am besten weg von hier und von vorn anfangen.«
    Birne erwiderte nicht gleich etwas. Er würde ihr gern
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