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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust
Autoren: Willibald Spatz
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Supermarkttüte zum Vorschein, die – das konnte man hören – helle Biere enthielt.
    »Nein, danke«, lehnte Birne ab und sagte: »Lieber Wasser.«
    »Es ist doch was und du willst es nicht sagen.«
    »Ja, ich habe ein bisschen nachgedacht. Das ist alles und doch schon eine ganze Menge«, sagte Birne stolz und warf einen Seitenblick zum Grauen, unauffällig, wenn auch in der Hoffnung, dass Trimalchio ihn bemerkte und sich erkundigte.
    »Wann darfst du raus?«
    »Jederzeit.«
    »Du könntest mitgehen?«
    »Ja, könnte ich, die haben nichts, womit sie mich hierbehalten könnten.«
    »Ja, dann lass uns gehen.«
    »Nein. Ich kann nicht.«
    »Wieso?«
    »Wenn ich weniger als 24 Stunden hier bin, muss ich den Einsatz bezahlen: 700 Euro.«
    »Verstehe.«
    »Wie geht’s daheim?«
    Trimalchio , das wusste Birne, hatte neulich wieder geheiratet, eine Frau die 15 Jahre jünger war. Die erste Ehe seinerzeit ging zu Ende, weil er nicht reif genug war, das hatte er selbst zugegeben, aber es war eine wunderbare Frau gewesen, zudem eine sehr schöne. Allein Trimalchio liebte sie weniger als das Abenteuer, vielleicht ein Fehler, aber was wollte er machen, wenn die Natur ihn so walten ließ, wie sie ihn geschaffen hatte vor viereinhalb Jahrzehnten. Es hatte Tränen und lauten Streit gegeben, Trimalchio hatte viele Kilos verloren, aber er war durchgekommen und hatte harte Jahre folgen lassen, hart zu sich selbst. Nun hatte er neues Glück gefunden und dieses neue Glück hatte ihm noch ein kleines Glück geschenkt; und sie fragten ihn nun oft wegen seiner Augenringe, ob er wenig Schlaf gehabt habe letzte Nacht, und stolz lächelte er seine Kollegen dann als Antwort nur an. Das war jetzt sein Abenteuer, sein größtes und gewiss auch schönstes, und auch die neue Frau war toll. Trimalchio zog die tollen Frauen an.
    »Hast du den Fall Bayer ein bisschen verfolgt?«
    Birne schaute ratlos und wiegte sein Wasserglas in der Hand. Die Sonne fiel gerade in den Raum und wenn er das Glas richtig hielt, konnte er vielleicht einen Regenbogen erzeugen.
    »Da war ein paar Jahre Ruhe, nichts mehr in den Medien. Aber jetzt scheint sich was zu tun, im Moment, kann allerdings auch sein, dass der Augenzeuge hysterisch ist und sich was eingeredet hat. Egal, eine Spur wär’s , ich würd ihr gern nachgehen. Und ich hätt dich dafür im Auge, dass du das erledigst, das wär dein Einstand, deine erste große Nummer, eine Chance für dich.«
    Das waren viele Worte auf einmal für einen wie Trimalchio , Birne schaute ihn sich nun genau an – von oben nach unten, er verengte seine Lider, es sah aus, als ob er im nächsten Augenblick einschliefe oder seinen Chef genau fixierte, während er abwog, was das zu bedeuten hatte. Wieso er auf einmal?
    »Kannst du dir das vorstellen?«
    »Was denn?«
    »Es wird vielleicht nicht ungefährlich, aber es wär ein richtiger Fall, nichts mit Bahnhöfen, was man halt macht, weil man das gerade machen soll, verstehst du?«
    »Der Fall Bayer?«
    Das war eine mysteriöse Geschichte, eine unheimliche. Sie begann relativ normal: Mädchen verschwinden in einer Ecke Deutschlands, in einer Vorstadt einer harmlosen Stadt wie Memmingen. Die Mädchen sind nicht brutal jung, sind aber noch nicht volljährig und alle auf ihre Weise hübsch. Man ist ratlos. Die könnten selbst verschwinden, teilweise weiß man, dass sie sich kennen, von der Schule, vom JuZe , von Partys. Es könnten Drogen sein, vielleicht eine Sekte, vielleicht irgendwas mit Mafia, ein Arschloch, das sie mit irren Versprechungen irgendwohin lockt, sie betäubt, eine ihrer Nieren an einen reichen Amerikaner oder Koreaner verkauft, sie in ein anderes Land bringt und dort für sich als Prostituierte arbeiten lässt. Junge, schöne deutsche Mädchen. Ein Skandal, man ist schockiert und ratlos für Wochen, die Schlagzeilen verschwinden schon, Mädchen keine mehr. Keine Spur, keine Ahnung. Schlimm.
    »Man tappte ziellos umher. Ich glaube, es war sogar Bruno, der die gute Idee hatte – jedenfalls war er damals in Memmingen: Sie wollten den Täter in eine Falle locken, sie setzten ein Mädchen aus, ein hübsches Ding, ich sag’s dir, man ließ sie vor seiner Nase herumspazieren, ein paar Wochen lang. Man kannte seine Strecke, wusste, wo er zuschlug. Man hatte ein klares Täterprofil und dachte, die Faust nur noch schließen zu müssen und ihn dann darin zu haben. Doch es passierte nichts, wirklich gar nichts. Auch kein anderes Mädchen wurde entführt. Darüber
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