Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust
Autoren: Willibald Spatz
Vom Netzwerk:
plötzlich Nachbarn, die eigenartige Dinge trieben. Ich sag dir, schlimmer können die unterm Hitler auch nicht denunziert haben. Das schläft noch immer alles in der deutschen Seele, sag ich dir.«
    Wenn Trimalchio so etwas sagte, meinte er das wirklich. Trimalchio war ein bisschen Italiener, viel weniger als sein Name vermuten ließ, aber er fühlte sich auf der sicheren Seite, wenn er die Deutschen verurteilte. War er wahrscheinlich tatsächlich.
    »Der Täter war schnell eingegrenzt: Ein gewisser Bernhard Bayer kam infrage. Auf den passte die Beschreibung. Ein ehemaliger Polizist, der auffällig geworden war im Dienst, der gegangen war, bevor man ihn rausschmeißen konnte und der untergetaucht war. Die Kollegen, die mit ihm zusammengearbeitet hatten, waren sich einig, dass alles zu ihm passte. Mädchen kassieren und einsperren, sie unter Drogen setzen. Davon hatte er in seinen Witzen gern geredet. Immer aufpassen mit den Witzen, Birne. Die können dich ans Messer liefern. Allerdings: Man fand nichts. Alle Hinweise führten ins Leere. Bayer war nicht aufzufinden. Keiner hatte Kontakt zu ihm. Der Pool konnte nicht aufgespürt werden. Es war zum Verzweifeln. Die arme Kleine wurde noch einmal durch die Straßen geführt, in deren Nähe man sie aufgegriffen hatte. Sie erinnerte sich an nichts. Man zeigte ihr die Gärten. Es gab Pools und viele hilfsbereite Bewohner, die freiwillig ohne Durchsuchungsbefehl ihre Wohnzimmer öffneten. Doch das Mädchen erkannte nichts wieder. Ein Ort war aus der Welt verschwunden. Der Mann war einfach weg, seine Opfer mit ihm. Kein Mensch interessierte sich mehr für den anderen. Nur noch Dunkelheit überall.«
    »Oh ja.« Birne hatte bei den letzten Worten aufmerksam genickt. Trimalchio musterte ihn nun neugierig, als ob aus seinem Gesicht auf einmal eine Lösung für den Fall herauszulesen sei. Verlegen trank Birne das letzte Wasser aus seinem Glas und stellte es auf seinen Nachttisch, so laut, dass sie beide darüber erschraken.
    »Das Scheußliche passierte aber erst jetzt: Das Mädchen, das sie damals als Lockvogel eingesetzt hatten, kam wieder aus dem Ausland und war seelisch einigermaßen repariert, etwas zugeknöpfter als vorher vielleicht, aber in Ordnung, würde ich sagen, ohne viel von Psychologie zu verstehen. Auch wenn die Neuigkeiten in diesem Fall alles andere als toll waren.«
    Birne fand das spannend, er dachte sich, dass er bald wieder eine Rolle spielen würde in einem echten Kriminalfall.
    »Sie fanden ihren Hund auf der Müllhalde, wo das andere Mädchen aufgetaucht war. Das Tier lag da auf ein paar Brettern, die zu einem Andreaskreuz genagelt waren. Ein Skalpell hatte ihm einen feinen Strich in den Hals geschnitten, aus dem das meiste Blut herausgelaufen war, geschächtet. Es war ein ungemütlicher, ein grauer Tag mit Nieselregen. Neben ihm lag ein Zettel: ›So nicht, Freunde‹ stand darauf.«
    »Unheimlich.«
    »Die andere, die entkommen war, wurde bald darauf bei einer Hüttenfeier vierfach vergewaltigt. Aber man vermutete wohl zu Recht, dass das damit nichts unmittelbar zu tun hatte, dass das wirklich die drei Jungs waren, die dafür Sozialstunden bekamen.«
    »Aha.«
    »Egal, jetzt fehlen noch drei und der Bayer, und das seit drei Jahren.«
    »Kein Mensch weiß was.«
    »Keiner. Doch nun taucht auf einmal eine von ihnen im Supermarkt auf, keiner reagiert, jeder schaut weg und sieht, wie sie abgeführt wird, zurück in ihr Loch. Die Menschen.«
    »Wo war das?«
    »Hier in der Stadt.«
    »Und jetzt?«
    »Muss etwas geschehen.«
    »Klar.«
    »Birne, jetzt kommst du ins Spiel.«
    »Und zwar?«
    »Was hältst du von Tanja?«
    Was sollte Birne von Tanja halten? Sie brachte ihm Hefte hierher. »Nett.«
    »Sie sieht jünger aus, als sie ist.«
    »Na ja«, wusste Birne dazu, weil er keine Ahnung hatte, wie alt Tanja war. Wie alt mochte Tanja sein? Keine Ahnung.
    »Was hältst du von ihr als Lockvogel? Ich denke, sie könnte sein Typ sein, sie ist hübsch und sieht jung aus. Es könnte klappen. Neu ist die Idee nicht, gebe ich zu, aber es ist eine Chance und wir wären blöd, wenn wir sie verstreichen ließen, nur weil wir einmal keinen Erfolg hatten. So funktioniert die Welt: Erste Chancen sind immer Lügner, zweite hauen rein. Und diesmal bist du unsere zweite, sobald du wieder auf den Fersen bist.«
    Schon wieder so viele Worte.
    »Na ja«, erwiderte Birne.
    »Du hältst nicht viel davon. Schade. Aber sei lieber ehrlich zu mir, ist mir lieber.«
    »Er hat doch schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher