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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust
Autoren: Willibald Spatz
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Wasser, 500 Meter, raus, abtrocknen und dann? Bier? Allein? Scheiße. Lesen? Konnte er hier auch, überall, sparte er sich sogar den Eintritt.
    Birne wusste nicht, was tun. Er ging zum Supermarkt, kaufte sich eine elendige Packung panierter Hähnchenfetzen und eine Flasche Rotwein, die er dem Kollegen am Abend schenken wollte. Beim Bezahlen lachte er dem Schicksal in Gestalt der Kassiererin ins Gesicht. Die fühlte sich verhöhnt, ließ sich aber nichts anmerken.
    Nach dem fetten Essen, das keine Wirkung auf seinen Kreislauf hatte, probierte er aus, wie lange einer wie er nachmittags schlafen konnte, kam auf sechs Stunden mit Unterbrechungen zwecks Umdrehen auf dem Sofa und war zufrieden. Duschen, um den Schlafschweiß wegzukriegen, anziehen, zu Fuß zum Kleinmüller, zum Kollegen.
    Unterwegs wurde ihm unwohl, er kannte da ja niemanden gut. Was sollte er reden? Er hatte nichts mit denen gemeinsam.
    Klingeln.
    Der hatte einen viereckigen Kopf, nicht quadratisch, ein längliches Viereck und so eine Brille, die die Augen klein macht, deshalb war das Viereck an der Seite eingefräst. Der war Junggeselle, deswegen lud er Kollegen zum DVD schauen ein, sonst wäre er immer allein gewesen. Er hatte eine raue Testosteron-Stimme, die klang verkatert, deswegen glaubte Birne mit dem Wein als Mitbringsel nicht falsch zu liegen.
    Der Kollege Kleinmüller nahm das Präsent, beugte den Kopf, um das Etikett zu lesen – Birne sah, dass das nach hinten gezwungene Haupthaar grau und lichter wurde, es schillerte schuppige, rosige Kopfhaut hindurch.
    »Ah, gute Marke«, lobte Kleinmüller.
    Scheißdreck gute Marke, irgendwas vom Supermarkt nicht ganz unten, um nicht geizig zu erscheinen.
    Birne durfte rein, die Wohnung war neu eingerichtet, roch auch noch so, ein paar Kollegen waren da, saßen um einen Esszimmertisch, es war eben laut gelacht worden, vor seinem Eintreten. Jetzt war es still. Birne fühlte sich unwohl. Ihm wurde ein Platz an dem runden Tisch angeboten. In der Mitte standen Getränke, Fruchtsäfte, Mineralwasser und Bio-Limonaden, nichts Alkoholisches. Das würde hart werden. Gesellschaften ohne Alkohol zu ertragen war immer schwierig für Birne.
    Er ließ sich vom Bio-Zeug einschenken.
    Tanja saß ihm gegenüber, grüßte verstohlen. Sie konnte hier nicht frei reden, das musste er so akzeptieren.
    Sie unterhielten sich über den Dienst, hauptsächlich. Es gab ein Problem mit der Kaffeemaschine, keiner fühlte sich zuständig, aber jeder wollte immer frischen Kaffee. Früher hatte es einen Automaten gegeben, der Kaffee war damals zwar nicht gut gewesen, aber in Ordnung, dafür aber zu teuer. Dann hatte man beschlossen eine Maschine zu kaufen, eine gescheite, die die Bohnen frisch mahlte, jedes Mal auf Knopfdruck frischen Espresso ausspuckte, wahlweise auch Cappuccino, man konnte mit einer Zusatzfunktion Milch aufschäumen, was vielen damals, bei der Anschaffung, wichtig gewesen war. Nicht nur Espresso, mal in einer längeren Pause oder nach dem Essen was Gemütlicheres, einen Cappuccino. Man hatte zusammenlegen wollen, aber so was ist immer schwierig, weil die einen keinen, andere recht wenig und eigentlich nur ein paar viel Kaffee trinken. Aber man einigte sich, weil es notwendig war, man brauchte eine Lösung, da es so nicht weitergehen konnte. Man wählte eine Maschine, die zwar nicht billig, aber auch nicht High End war. High End war viel verlangt, es handelte sich um die Geschäftsmaschine, für daheim hätte sich der eine oder andere schon eine High-End-Maschine angeschafft.
    Aber wie das immer so ist, wenn viele Menschen zusammenkommen, es fühlte sich keiner zuständig für die Wartung des Apparats, keiner putzte, keiner entkalkte, einer hatte neulich mal Schimmel entdeckt, weil er stutzig geworden war, schwamm doch ein Film auf seiner Kaffeebrühe. Und wenn es schimmelte, dann war das halt bedenklich, weil es ja die Gesundheit betraf. Auch die kleine Kasse neben der Maschine, in der jeder seinen Obulus entrichten musste, stimmte nie richtig, da war immer zu wenig drin. Irgendjemand – oder auch zwei oder drei – soff hier auf Kosten der anderen seinen Cappuccino oder warf jedes Mal für einen Cappuccino den etwas geringeren Espressobetrag ein.
    Birne hörte eine Weile amüsiert zu, dann bekam er Angst, danach wurde ihm langweilig. Er starrte Tanja an und fragte sich, wieso keiner was von ihm erfahren wollte, die wussten nämlich alle noch gar nichts von ihm, so ein Neuer, der musste doch interessant sein. Tanja
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