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Alpenlust

Alpenlust

Titel: Alpenlust
Autoren: Willibald Spatz
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noch eine Weile so weiterging, dass er schon wieder werden würde.
    Die Worte, die sie eben gesprochen hatten, lösten Leben in dem Grauen aus, er bewegte sich, zuckte ein bisschen und rang sich dann zum Aufwachen durch. Erschrockenen Blicks durchsuchte er zuerst das fast leere Zimmer vor seinen Augen und entdeckte dann Birne und seinen Gast. Das beunruhigte ihn, dass da jetzt jemand war neben ihm, dass sie ihm Kassenpatienten nicht einmal die letzten Stunden allein ließen.
    »Grüß Gott«, versuchte Birne die Steifheit der Situation zu lockern.
    Der Graue drehte seinen Kopf weg, starrte an die Decke und stieß ebenfalls ein »Grüß Gott« heraus. Sein Gruß war seiner verletzten Stimme wegen jedoch brüchig und unwillig.
    Birne wollte nicht aufgeben, Birne wollte Mut machen, er sagte: »Ich bin am Bahnhof umgekippt, einfach so, die Hitze wahrscheinlich, und dann bin ich hier aufgewacht, keine Ahnung, was dazwischen passiert ist. So etwas hatte ich noch nie, hoffentlich ist es nichts Ernstes. Ich rechne mal nicht damit, ich rechne damit, dass die mich mal so richtig durchchecken mit EKG und allem, Tomografie und Kardiogramm, lalala , und dann nach Hause schicken mit einer Packung teurer Vitaminpräparate und der Warnung, mal ein bisschen runterzuschalten: weniger Stress, weniger Job, weniger Alk, weniger«, schalkhafter Blick zu Tanja, »Frauengeschichten, weniger Extremsport. Ein Schuss vor den Bug. Ich werd mich dran halten« schelmisches Lachen, »ich werd’s ihnen versprechen, und schon zwei Monate später an kein Wort davon mehr denken und leben, wie es noch nie ein Deutscher getan hat.«
    Tanja quietschte zur Unterstreichung mit ihrer Lederjacke.
    Birne fuhr fort: »Und weshalb sind Sie hier?«
    Der Mann im Bett neben ihm hob kurz und müde seine Hand und ließ sie wieder fallen, dazu stöhnte er: »Ach.«
    »Haben sie noch nichts gefunden?«, startete Birne seinen letzten Versuch.
    »Doch«, sagte der Mann und mühte sich hoch: »Ich erzähl’s Ihnen, aber jetzt haben Sie Besuch, seien Sie nicht unhöflich. Bei einer so schönen jungen Dame.«
    Birne bildete sich ein, dass der andere bei seinem letzten Satz ein bisschen mehr Stimme bekommen hatte und sogar ein wenig Farbe.
    Tanja war verlegen, der Nachbar lag nun zufrieden da, ihnen leicht zugewandt und grinste.
    »Wie geht’s dir denn?«
    »Mir? Mir geht’s super, danke. Ich weiß gar nicht, was ich hier noch soll. Wie geht’s euch denn draußen? Dir und Trimalchio ?«, erteilte Birne seine Auskunft.
    »Ich bin okay und von Trimalchio weiß ich nichts, geht mich auch nichts an, und wenn’s mich was anginge, würd’s mich nicht interessieren.«
    Der Nachbar war eingeschlafen.
    »Ich hab dir was mitgebracht«, sagte Tanja und zog unter dem Reißverschluss über ihrer Brust ein Magazin hervor. »Was zum Lesen, damit es dir nicht langweilig wird.«
    Birne war ehrlich gerührt. »Das ist nett von dir.«
    »Schon okay.«
    Es war so ein Herrenmagazin mit wenigen nackten Frauen, dafür viel muskulösen Männern auf den Bildern, neben denen stand, wie man so einen Körper bekommen konnte: Extremsport. War jetzt halt leider nichts mehr für Birne, er hatte soeben seinen ersten Kreislaufzusammenbruch im Leben gehabt. Trotzdem irgendwie rührend, Tanja gab sich Mühe, und Birne fand das schön. »Danke«, sagte er. »Ich hab gar nichts mitbekommen am Bahnhof. Auf einmal war’s schwarz um mich.«
    »Das war dumm, ich war in der Nähe. Ich hab den Krankenwagen kommen lassen. Wir waren ganz schön erschrocken. Du sahst nicht gut aus.«
    »Tut mir leid.«
    »Jetzt geht’s ja wieder.«
    »Apropos Schreck: Was ist mit meiner Waffe, meinem Ausweis, meinen Sachen?«
    »Keine Panik, haben wir versorgt.«
    Birne ließ sich zurückfallen, erleichtert. Dann kehrte Stille ein.
    »Danke für das Heft.«
    »Ich hoffe, du liest so was. Ich wusste ja nicht.«
    »Man weiß oft so wenig voneinander, auch wenn man jeden Tag nebeneinander arbeitet.«
    »Ja, ja.«
    »Liest wahrscheinlich dein Freund recht gern, so Magazine.«
    »Nein, nein, ich hab nur gedacht, das ist was für einen Polizisten.«
    »Du meinst, wir stehen auf unsere Körper? Im Moment geb ich zu, eher so na, na.«
    Sie hatten sich nichts zu sagen, das zu leugnen, wäre blöd gewesen, aber Birne fand es in dem Augenblick direkt schade, dass er mit seiner Samariterin vorher so wenig unternommen hatte, sodass sie sich nach der Rettung so fremd waren.
    »Ich muss weiter«, gab sie vor, um rauszukommen.
    »Du, vielen
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