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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr
Autoren: Lisa Bjaerbo
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Volkstracht. Das sieht unglaublich albern aus, was mich aber nicht weiter stört.
    »And the Oscar goes to …«, sagt der Typ auf der Bühne und ich merke, dass ich schon etwas nervös bin.
    »Alicia Lund!«
    Ich werde fast taub von dem Applaus, als ich meinen Scarlett-Körper in voller Länge erhebe und auf die Bühne gehe und thank you, thank you, thank you sage, völlig akzentfrei, und dann eine schmalzige Dankesrede halte. Da bleibt kein Auge trocken im Saal.
    »But most of all«, sage ich, als ich zum Ende komme, »I would like to thank my parents. For supporting me every step of the way. I love you so much.«
    An dieser Stelle werfe ich ein paar kultivierte Luftküsse durch den Saal, die auf Mamas und Papas Wangen landen, und ich lächele ihnen zu, und als die Kamera einen Schwenk über das applaudierende Publikum macht, mime ich in Richtung meiner Eltern: DA HABT IHR’S, SUCKERS, IST JA AM ENDE DOCH NOCH GANZ GUT GELAUFEN.
    * * *
    »Geschmissen, sagst du?«
    Sara zeigt energisch auf den freien Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Es ist Der Tag nach der Entscheidung und ich fühle mich ein bisschen wie vom Bus überrollt.
    »Setz dich, damit wir darüber reden können.«
    Ich seufze.
    Darüber reden.
    Das ist im Moment ja ganz populär.
    »Es gibt auch noch alternative Lösungen«, sagt Sara mit schräg gelegtem Kopf. »Die Schule abzubrechen, ist sicher die drastischste. Vielleicht solltest du dir lieber überlegen, eine andere Fachrichtung zu wählen? Oder die Schule zu wechseln? Ein halbes Jahr Auszeit zu nehmen?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Ich will abbrechen«, sage ich.
    Sara lächelt mich nachsichtig an. Dabei blähen sich ihre Nasenflügel vor Anstrengung so auf, dass ich die Haare in ihren Nasenlöchern sehe.
    »Das habe ich verstanden.«
    Sie hängt kein »Meine Kleine« an den Satz an, denkt es nur und das ist ihr verdammtes Glück. Hätte sie es nämlich aus-
    gesprochen, hätte ich sie auf der Stelle umbringen müssen.
    »Aber ganz so einfach ist das nicht, weißt du.«
    Sie schaut auf den Bildschirm ihres Computers.
    »Du bist noch nicht volljährig, wie ich sehe. Damit müssen deine Eltern in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Und ich muss einen konkreten Plan vorlegen, wie es für dich weitergeht.«
    Ich starre sie entgeistert an.
    »Wieso müssen Sie einen konkreten Plan vorlegen, wie es für mich weitergeht?«
    Sara hebt den Blick.
    »Wir«, sagt sie eilig, als sie meinen Gesichtsausdruck sieht. »Ich meine natürlich, dass wir einen konkreten Handlungsplan ausarbeiten müssen. Gemeinsam mit deinen Eltern. Und der Gemeinde! Die Gemeinde ist verpflichtet, darauf zu achten, dass alle Personen unter zwanzig einer Beschäftigung nachgehen. Sie können dir einen Praktikumsplatz besorgen. Falls dein Entschluss feststeht, dass du die Schule abbrechen willst, meine ich.«
    Sie legt eine Pause ein und nickt mir aufmunternd zu.
    »Einen Praktikumsplatz«, wiederholt sie. »Das wäre doch super, oder?«
    Zum Schluss gelingt es mir wenigstens, eine Woche Zeit für mich rauszuschinden. »Eine Woche Bedenkzeit«, sage ich. »Das ist nicht viel. Kommen Sie schon!«
    Es ist deutlich zu merken, dass Sara das eigentlich gar nicht passt, aber nach einer Weile nickt sie ab. Sie trägt mich am Mittwoch in einer Woche in ihren Terminkalender ein, da soll ich mich mit meinen Eltern und meinem konkreten Handlungsplan für meine Zukunft in ihrem Büro einfinden, Punkt 16 Uhr. Sonst – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – schaltet sie die Gemeinde ein.
    Himmel, meine Nerven.
    * * *
    Es gibt ganz unterschiedliche Methoden, mit verzwickten Situationen umzugehen. Manche Menschen gehen das ganz pragmatisch an, schreiben Listen, haken ab. Andere besaufen sich, nehmen Drogen oder schneiden sich die Pulsadern auf. Ich fahre zu Oma. Das funktioniert bei mir fast immer.
    »Ich brauche deine Hilfe«, sage ich, als sie die Tür öffnet. Ich halte ihr eine Tüte Belgische Waffeln unter die Nase, weil ich weiß, dass sie die liebt, und alles, was Oma liebt, ist in dieser Lage von Vorteil.
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    Ich ignoriere den sarkastischen Unterton in ihrer Stimme und schüttele mir im Flur die Schuhe von den Füßen.
    »Wir müssen ziemlich flott einen konkreten Aktionsplan entwerfen.«
    »Was für einen konkreten Aktionsplan?«
    »Für meine Zukunft, du weißt schon.«
    »Ach so, das!«, sagt Oma. Sie sieht ernsthaft besorgt aus.
    »Das kann doch nicht so schwer sein!«, sage ich und
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