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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr
Autoren: Lisa Bjaerbo
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graue Hose und ein ausgewaschenes T-Shirt, auf dem »Bier hat diesen schönen Körper geformt« steht, und sagt: »Was?«
    Dann stellt er die Kaffeekanne mit einem Knall ab.
    »Ich möchte hier jobben«, wiederhole ich.
    Darauf lacht der Mann so herzlich, dass der Bauch unter seinem hässlichen T-Shirt wackelt.
    »Wann kannst du anfangen?«, fragt er.
    Damit wäre das erledigt.
    * * *
    Als ich nach Hause komme, steht Papa im Flur und saugt Staub. Ich sehe schon von Weitem, dass er nur auf eine Gelegenheit zum Brüllen wartet, weil er absichtlich gegen alle Türschwellen kracht, dass es durchs ganze Haus hallt.
    »Hallo, Papa!«, rufe ich ihm gut gelaunt durch den Lärm zu.
    Er schaut wütend in meine Richtung, und ich sehe regelrecht, wie die weißen Haare nur bei meinem Anblick aus seiner Kopfhaut sprießen.
    Es ist wohl besser, es nicht unnötig lange hinauszuzögern.
    »Ich war in der Stadt und habe mir einen Job besorgt.«
    Papa schaltet den Staubsauger mit einem routinierten Tritt aus.
    »Was hast du?«
    »Ich war in der Stadt und habe mir einen Job besorgt«, wiederhole ich deutlich.
    Papa zieht die Augenbrauen hoch.
    »Hast du das? Wirklich?«
    Ich nicke.
    »Wo?«, fragt Papa überrumpelt und sieht mich misstrauisch an. »Nichts Illegales, hoffe ich.«
    Oh Lord.
    Was denkt mein Vater eigentlich von mir?
    »Doch, klar«, sage ich. »Nachts schmuggele ich Flüchtlinge über die Grenze und tagsüber füttere ich kleine Kinder mit Arsen. Dazwischen verkaufe ich meinen Körper an den Meistbietenden.«
    Papa schnauft.
    »Sehr komisch«, sagt er.
    »Nicht wirklich«, sage ich und starre auf den Boden. Ich strenge mich an, beleidigt auszusehen, weil ich mir von diesem Dialog eigentlich eine etwas erfreutere Reaktion erhofft hatte als Papas skeptische Leichenbittermiene und das Schnaufen. Ein Moment zwischen Vater und Tochter, in denen seine Augen vor Stolz leuchten. Herzliche Umarmung, Streichmusik im Hintergrund, so was halt. Aber nicht das. Das ärgert mich. Ein bisschen Begeisterung wäre schon angebracht, wenn man mal eben so einen Job organisiert hat.
    »Okay, tut mir leid, noch mal von vorne«, sagt Papa beschämt. »Was ist das für ein spannender und anständiger Job, den du gefunden hast, Schatz?«
    Als ich von dem Café erzähle, verschwindet Papas verächtlicher Mörderblick und wird durch einen sehr viel freundlicheren Blick ersetzt. Bis etwa zur Mitte des Berichtes sieht er zufrieden aus, fast froh, vielleicht sogar ein ganz, ganz kleines bisschen stolz? Das ist ein gutes Gefühl. Ich trage ordentlich dick auf, was die Arbeitszeiten, die Zusatzvereinbarungen, den Vertrag und den Chef betrifft. Zumindest die Hälfte von dem, was ich von mir gebe, entspricht der Wahrheit.
    »Ich kann am Donnerstag anfangen«, ziehe ich den letzten Trumpf aus dem Ärmel. »Um neun.«
    Unglaublich, welche Wirkung das hat. Ich betrachte Papas Schläfen: Kein einziges weißes Haar in der Kastanienmähne.
    * * *
    Das Café, das dem grauen Mann mit dem hässlichen T-Shirt gehört, heißt Kaffee & Träume. Früher war in dem Lokal mal ein Kino, aber das gibt es nicht mehr, jetzt ist es eben ein Café. Dem bescheuerten Namen zum Trotz gibt es hier den besten Kaffee der ganzen Stadt. Was nicht viel heißen will, da es insgesamt nur sieben Cafés gibt, wovon drei kaum gezählt werden können, weil dort nur alte Leute hingehen. Die anderen drei sehen exakt gleich aus. Cappuccinofarbene Wände, alle die gleichen Lattegläser, die gleichen gigantischen Muffins, der gleiche Einheitsbrei. Im Kaffee & Träume kriegt man den Kaffee in hübschen Fünfzigerjahretassen serviert und an den Tischen stehen unterschiedliche Stühle. Jeder halbwegs vernünftige Mensch, der wenigstens über ein paar intakte Hirnzellen verfügt, weiß ganz klar, dass man hier seinen Kaffee trinken muss.
    »Du hast echt Glück«, hat der graue Mann gesagt, als er mir den Job gegeben hat. »Eins der Mädels hat gerade aufgehört, ich kann also Verstärkung gebrauchen. Hast du Kassenerfahrung?«
    Ich brauchte eine Weile, bis ich kapiert hatte, dass er von mir wissen will, ob ich schon mal eine Kasse bedient habe. Hab ich nicht. Ich nehme ja mal an, dass Olles Plastikkasse nicht zählt. Da muss ich manchmal Kassiererin spielen und ihm Geld abknöpfen, wenn er Sachen aus meinem Zimmer kauft. Vielleicht sollte ich das in meinen Lebenslauf aufnehmen.
    »Aber ich lerne sehr schnell«, sage ich.
    »Ah ja«, sagt der graue Mann.
    »Und ich kann extrem gut Schokoladenkugeln
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