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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr
Autoren: Lisa Bjaerbo
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    Ich finde es unnötig zickig, wie sie mir das mit erleuchtet und Perspektive vor die Füße rotzt, als wäre es was Ekeliges.
    »So in etwa«, sage ich.
    »Mein Gott«, stöhnt Fanny. »Deine Hirnrissigkeiten erreichen wirklich mit jeder Sekunde ein neues Niveau!«
    Sie stapft durch den Flur davon und lässt mich bei den Spinden stehen, und ich muss fast schreien, damit sie mich hört.
    »Der Vorschlag kam doch von dir!«, brülle ich, und sie bleibt tatsächlich stehen.
    »Das war ein Scherz, Alicia.«
    Sie presst die Zähne aufeinander.
    »Das war ein Scherz! Ich hab doch verdammt noch mal nicht damit gerechnet, dass du das ernst nimmst.«
    Damit setzt sie sich in Bewegung. Ich mich auch. Einerseits wie immer, andererseits auch wieder nicht. Diesmal folge ich ihr nämlich nicht, sondern gehe in die andere Richtung.
    * * *
    Ein Stück vom Schulhof entfernt steht eine einsame Parkbank. Dort lasse ich mich nieder und überdenke die Situation , wie Papa sagen würde. Das mit Fanny geht mir ziemlich an die Nieren, stelle ich fest. Ich war kein bisschen vorbereitet auf ihren Protest und dass sie stinkig und sauer davonstiefelt. Das ist kein gutes Omen. Eine Reihe unangenehmer Momentaufnahmen meiner Zukunft ziehen an meinem inneren Auge vorbei, blitzen kurz auf und wechseln mit schnellen Cuts, wie ein Trailer meiner Lebensgeschichte, der ein Riesenpublikum in die Kinosäle locken soll.
    Ich finde ihn nur gar nicht überzeugend.
    Eher beunruhigend.
    Kameraschwenk zu einer enttäuschten Mutter im Küchenmilieu. Schnitt. Standbild einer weinenden Großmutter. Schnitt. Schreiender Vater. Schnitt. Knallende Türen. Schnitt. Loser-Jugendliche auf dem Bett. Schnitt. Einsam und von allen gehasst. Ende.
    Ich weiß nicht, was genau ich mir eigentlich vorgestellt habe, außer dass ich mit Fannys Reaktion absolut nicht gerechnet habe. Es Fanny mitzuteilen, hatte ich mir total easy vorgestellt! Kaffeekränzchen, sozusagen. Du, ich mach es, ich schmeiß das Gymnasium, wollte ich sagen, und sie sollte antworten, aha, na, traurig für mich, aber gut für dich, was machen wir am Wochenende?
    So ungefähr.
    Und was ist?
    Alles ganz anders.
    Und das macht mich so nervös, dass ich auf einer Parkbank auf der Allee sitze, die in die Stadt führt, und die Stirn in tiefe Falten lege, wie es so schön heißt. Mental zumindest, rein physisch bin ich dazu nicht in der Lage. Das Einzige, was ich zustande bringe, ist eine tiefe Furche zwischen den Augenbrauen, und mit einer Furche zwischen den Augenbrauen kommt man in diesen Zusammenhängen nicht weit.
    Ich schlucke.
    Wenn meine beste Freundin schon mit hysterischem Gezeter und Spindtürenknallen reagiert wie die reinste Drama-Queen, mag ich mir gar nicht ausmalen, wie meine Mitteilung zu Hause am Küchentisch ankommt. Oder bei Oma. Oder bei meinen Lehrern.
    Habe ich jemanden vergessen?
    Rektor? Studienberater? König?
    Das Gymnasium schmeißen.
    Mir schießt durch den Kopf, dass ich gar nicht weiß, wie man das macht.
    * * *
    Man muss dreimal hintereinander bei Oma klingeln, damit sie weiß, dass kein Verbrecher vor ihrer Tür steht, der in ihre Wohnung will, um sie auszurauben, sondern jemand, den sie kennt. Danach hört man ihre Pantoffelschritte auf dem Boden und die Tür geht auf.
    »Hallo, Oma«, sagt man dann.
    »Hallo, mein Mädchen«, antwortet sie.
    Dann geht man rein und setzt sich auf ihr Sofa und sie löst Kreuzworträtsel und man selbst blättert in irgendeiner Zeitschrift und immer, immer gibt es roten Saft und Kekse.
    »Bist du eingeladen?«, frage ich mit einem Blick auf die Lockenwickler, die unter dem Tuch hervorlugen, das sie um den Kopf gebunden hat.
    »Eingeladen?«, sagt sie. »Nicht, dass ich wüsste. Ich habe heute Morgen die Haare gewaschen.«
    Ich suche vergeblich nach der Logik in ihrer Antwort.
    Ich hab mir heute Morgen auch die Haare gewaschen.
    Hab ich was verpasst?
    »Muss man die Haare dann auf Lockenwickler aufdrehen?«, frage ich.
    »Na ja, was heißt hier müssen«, sagt meine Oma. »Zwingen tut mich niemand, aber du solltest mal sehen, wie ich aussehe, wenn ich sie ohne die Dinger trocknen lasse.« Sie zeigt auf die Lockenwickler. »Wie ein Reisigbesen. Sie stehen dann in alle Himmelsrichtungen ab. Da erschreck ich mich vor mir selbst, wenn ich in den Spiegel gucke.«
    Ich nicke.
    »Klar, das will man natürlich vermeiden.«
    »Genau.«
    Oma greift nach einer meiner dunklen Strähnen und hält sie gegen das Licht. Untersucht sie kritisch. Ich weiß schon, was
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