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Alles was ich sage ist wahr

Alles was ich sage ist wahr

Titel: Alles was ich sage ist wahr
Autoren: Lisa Bjaerbo
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einmal, diesmal etwas lauter.
    Der Junge schob sein Grinsegesicht näher an meins.
    »Aber du gehst doch in die Zehnte, oder?«
    »Ja.«
    »Na also. Alle Zehntklässler müssen da durch. Das ist eine Tradition. Keiner kommt daran vorbei.«
    »Doch«, sagte ich ruhig. »Ich schon.«
    Der Junge verdrehte die Augen und seufzte.
    »Jetzt sei keine Spaßbremse. Es geht doch nur um eine schwarze Null auf der Stirn. Spätestens beim nächsten Duschen geht das wieder ab.«
    Ich schüttelte energisch den Kopf.
    »Du kriegst einen Tadel, wenn du dich weigerst«, sagte er.
    »Aha.«
    »Das kann ich dir wirklich nicht empfehlen, schon am ersten Tag einen Tadel zu kassieren.«
    »Ach was.«
    »Jetzt stell dich nicht so an!« Langsam wurde er ungeduldig. »Die dämliche Bademütze hast du doch auch aufgesetzt, da kannst du auch den Rest noch mitmachen! Lass mich jetzt endlich die Null auf deine Stirn malen, dann müssen wir uns nicht weiter streiten. Du willst dich doch wohl nicht von Anfang an zur Außenseiterin machen, du Freak?«
    Ich kann mich nicht erinnern, ob ich darauf noch etwas gesagt habe, aber dafür erinnere ich mich umso besser, dass ich mir die alberne Bademütze vom Kopf gerissen und ihm in die Hand gedrückt habe, bevor ich ohne die kleinste Null auf der Stirn gegangen bin, gefolgt von den Buhrufen und Pfiffen seiner Mitschüler. Und ich weiß noch, dass es sich so anfühlte, als hätte ich in dem Moment einen Krieg angezettelt, obwohl das überhaupt nicht meine Absicht war, ich wollte keinen Krieg, ich wollte einfach nicht mit einer Null auf der Stirn rumlaufen.
    »Ist das dein Ernst?«, fragte Fanny, als ich ihr mitteilte, dass ich auch den Rest des Initiationsrituals nicht mitmachen wollte.
    »Scheint so.«
    »Hallo?« Sie stampfte wütend mit dem Fuß auf. »Das kannst du doch nicht einfach machen!«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Ich geb dir ja recht, es ist ziemlich albern, in Bademützen rumzulaufen mit Nullen auf der Stirn und sich auf den Boden zu werfen, um den Zwölftklässlern die Füße zu küssen oder Bananen zu essen, die sie sich zwischen die Beine geklemmt haben …«
    »Ziemlich albern?«, fiel ich ihr ins Wort. »Das ist total hirnverbrannt!«
    Fanny atmete tief ein.
    »Okay«, sagte sie schließlich. »Vielleicht ist es idiotisch. Kann ja sein. Aber … das ist doch nur Spaß! «
    Ich sah ihr an, dass sie sauer war.
    Ich zuckte wieder mit den Schultern.
    »Klar«, sagte ich. »Aber ich find’s nicht die Bohne komisch.«
    * * *
    Das dritte Mal war im Matheunterricht letzte Woche, irgendwo zwischen x und y.
    »Wozu müssen wir das noch gleich wieder lernen?«, flüsterte ich.
    Fanny antwortete nicht, also redete ich weiter.
    »Seriously, kannst du mir auch nur eine Situation in meinem zukünftigen Leben nennen, in der mir das irgendwie nützlich sein könnte?«
    Fanny legte mit einem Seufzer den Stift weg.
    »Hör auf«, sagte sie. »Wir haben doch schon tausendmal darüber gesprochen. Lern den Scheiß einfach und sei still.«
    »Aber ich will den Scheiß nicht lernen. Ich will Großtaten vollbringen!«
    »Sei still, hab ich gesagt.«
    Ich schlug ein paar Mal demonstrativ mit dem Kopf gegen das Mathebuch. Fanny, die blöde Kuh! Sie hatte gut reden, sie war so viel besser, als ich jemals werden konnte. Und damit meinte ich nicht nur das mit x und y, ich meinte auch die ganze Anpasserei.
    Zu tun, was von einem verlangt wird, ohne es immer und ständig zu hinterfragen. Das war absolut nicht mein Ding.
    »Vielleicht sterbe ich ja«, sagte ich nach einer Weile. »Wenn ich so einen Scheiß lernen muss.«
    »Red keinen Stuss.«
    Fanny hob nicht einmal den Kopf.
    »Aber das ist eine Vergeudung von Zeit«, redete ich weiter. »Das kann doch nicht der Sinn des Lebens sein, dass jemand wie ich hier vor sich hin schimmelt.«
    »Und was ist der Sinn des Lebens für einen herausragenden Menschen wie dich?«
    »Ich weiß es nicht so genau. Eben was anderes. Was Großes.«
    »Was Großes, sagst du?«
    »Genau.«
    Fanny schüttelte den Kopf und schnaufte so laut durch die Nase, dass alle in der Klasse es hörten.
    »Dann mach es doch einfach«, sagte sie schließlich. »Niemand zwingt dich, hier zu sitzen und … was hast du noch gleich gesagt?«
    »Vor mich hin zu schimmeln.«
    »Genau. Niemand zwingt dich, hier zu sitzen und vor dich hin zu schimmeln. Scheiß doch einfach drauf.«
    Nein, das war nicht ihr Ernst, und ja, sie hat das bloß gesagt, um mich zum Schweigen zu bringen. Das war ihr für den ersten
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