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Alles Fleisch ist Gras

Alles Fleisch ist Gras

Titel: Alles Fleisch ist Gras
Autoren: Christian Mähr
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von Dornbirn«)
       

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    wir haben Ihr Ansuchen vom 16. 6. d. J. um Unterstützung von Dreharbeiten zur Produktion eines Fernsehfilms mit dem Arbeitstitel »Das Geheimnis von Dornbirn« sorgfältig geprüft und müssen Ihnen mitteilen, dass eine solche Unterstützung vonseiten der Stadt Dornbirn nicht gewährt werden kann. Ebenso wenig Drehgenehmigungen jedweder Art. Unsere Justizabteilung ist dabei, die juristischen Grundlagen genau zu prüfen. Die Exekutive ist angewiesen, etwaige widerrechtliche Handlungen unnachsichtig zu ahnden; rechtliche Schritte werden sicher eingeleitet. Wir raten Ihnen dringend, Ihr Vorhaben noch einmal zu überdenken, weil Sie weder von offizieller noch von privater Seite Entgegenkommen bei der Produktion dieses Films erwarten können.

    Zu dieser entschlossenen Vorgehensweise sehen wir uns aus mehreren Gründen gezwungen: Sie begründen Ihr Interesse an Dornbirn mit dem sattsam bekannten Ergebnis einer Studie des »Institutes für empirische Sozialforschung« vom vorvergangenen Jahr, das unsere Stadt als »glücklichste Stadt Mitteleuropas« dargestellt hat. Über achtzig Prozent der befragten Einwohner stellten Dornbirn das Zeugnis aus, »gern bis sehr gern hier leben zu wollen«. Auch wir haben diese Studie gelesen und uns darüber gefreut. Wir waren auch von den Zahlen beeindruckt, zum Beispiel dem Abstand zum zweitplazierten Salzburg, dem nur knapp über fünfzig Prozent das entsprechende Zeugnis ausstellen wollten. Und wir hatten unsere Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Ergebnisse, die erst durch intensive Nachforschung bei den Autoren der Studie, Dr. Flatz und Dr. Greussing, ausgeräumt werden konnten. Das Ergebnis ist statistisch hochsignifikant und übertrifft die Zahlenwerte anderer Städte bei weitem, auch die jemals in anderen Befragungen erhobenen Zahlen.

    Es ergab sich natürlich auch für uns die Frage, wie solche Zufriedenheitswerte zustande kommen. Ein genauerer Blick in die erhobenen Daten macht hier vieles klar, was sonst leider auf dem Feld haltloser Spekulation aufgefunden wird. Auch Ihrem Recherche-Team hätte bei einem solchen Blick auffallen müssen, dass keiner der Befragten einen konkreten Grund für seine positive Einschätzung Dornbirns anzugeben imstande war. Es handelte sich, wie auch Dr. Flatz und Dr. Greussing in zahlreichen Gesprächen betonten, eher um »den Ausdruck eines Lebensgefühls« als um spezifische Gründe – und dieses Lebensgefühl kommt eben dadurch zustande, dass in einem Gemeinwesen über Jahre hinweg »alles passt«, soll heißen, keine die Bürgerinnen und Bürger negativ anmutendenBegebenheiten oder Umstände der Lebensführung vorkamen und vorkommen.

    Und woher kommt das? Einem unvoreingenommenen Beobachter wird bei dieser Sachlage in den Sinn kommen, dass eine moderne, bürgernahe Verwaltung, kombiniert mit erheblichen Aufwendungen in den Bereichen Soziales und Verkehr, sehr wohl Früchte trägt!

    Was aber tun Sie? Wir sehen, wenn auch mit Missbehagen, ein, dass in Zeiten zunehmender Sensationshascherei, besonders der elektronischen Medien, ein Bericht über eine überdurchschnittlich gut verwaltete Stadt wohl nicht jene Aufmerksamkeit erregen kann, die Sie sich erhoffen. Aber ist das ein ausreichender Grund, sich auf das oben erwähnte Feld haltloser Spekulation zu begeben und kruden Theorien nachzulaufen?

    Ich erwähne nur die Ihrem Schreiben entnommenen Stichworte »Steinkreise, Kraftlinien, keltische Kultorte«, die allesamt mit Dornbirn nicht das Geringste zu tun haben, auch wenn solche Behauptungen in einschlägigen Esoterik-Zirkeln immer wieder auftauchen. Auch wenn Vertreter der lokalen Kunstszene sich nicht entblöden, diesen unwissenschaftlichen, durch keine Evidenz gestützten Unsinn mitzumachen. Auch wenn, was besonders beklagenswert ist, ein lokaler Verlag nicht nur mit einer Veröffentlichung, sondern gleich mit einer bis jetzt fünfteiligen Schriftenreihe auf den Esoterik- und Keltenkarren aufspringt!

    Der von Ihnen als Zeuge angeführte Anton Rümmele ist ein stadtbekannter Sonderling (wobei diese Bezeichnung in gewisserWeise eine Beschönigung darstellt), der allerdings mit allerlei keltenaffinen kunstgewerblichen Gegenständen Handel betreibt und daraus dem Vernehmen nach schon mehr Gewinn ziehen soll als aus seiner Landwirtschaft.

    Es dürfte Ihnen ja bekannt sein, dass besagter Rümmele zwei der Steine des sogenannten »Dornbirner Kreises« nachweislich selber eingegraben hat.
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