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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition)
Autoren: Siegfried Langer
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fünften Juni stattfand!«, zog Paul sein Resümee.
»Doch«, widersprach Frank, »wir waren erfolgreich. Wir haben Hauptmann Stagg von der Notwendigkeit überzeugt, die Anlandung um einen Tag zu verschieben. Die alliierten Truppen sind, wie von uns geplant, am sechsten Juni an die französische Küste übergesetzt.«
»Dann müssten wir uns – subjektiv – an einen anderen Geschichtsverlauf erinnern«, sagte Jan, »tun wir aber nicht.«
»Die Deutsche Wehrmacht hat im Auftrag des Führers und zur Ehre des Deutschen Vaterlandes die anlandenden Truppen der amerikanisch-zionistischen Imperialisten in einem glorreichen und heldenhaften Kampf zurückgeschlagen«, las Tristan die ihnen allen bekannte Formulierung vom Bildschirm ab, »die Geschichtsschreibung hat sich ebenso wenig verändert, wie unser Gedächtnis.«
Roberts Augen weiteten sich. »Das kann nicht sein«, seine Stimme bekam einen schrillen Unterton, war kurz davor, sich zu überschlagen.
Auf seinen Gehstock gestützt, humpelte er, so schnell er konnte hinüber zu Tristan und starrte auf den Monitor.
Seine Lippen wiederholten stumm den von Tristan zitierten Satz.
»Nein!«, sagte er, als wolle er der Aussage widersprechen, die Tristan im Netz gefunden hatte. »Wir haben es getan! Wir haben die Geschichte geändert! Wir waren erfolgreich!«
»Gescheitert sind wir!«, sagte Tristan.
»Nein!«, brüllte Robert ihn an. »Es kann nicht sein, was nicht sein darf!«
Tristan räumte seinen Stuhl, ließ Robert Platz nehmen.
Wie ein Besessener hämmerte Gothaer auf die Tasten, immer wieder starrte er mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm, glich Daten ab, kontrollierte Berechnungen.
Die anderen stellten sich hinter ihn, sahen ihm gemeinsam über die Schultern.
»Es ist vorbei«, sagte Frank, »wir haben versagt.«
»Nein! Nein! Nein!«
»Seht! Hier!«
Tristan deutete auf den anderen der beiden Monitore.
»Was ist?«, fragte Frank und erkannte im gleichen Moment, dass auf dem anderen Rechner das Programm lief, das die alternativen Ebenen anmaß und ihre Anzahl darstellte: die linke Zahl, die zwölfstellige, die parallelen Welten, die sich nach dem 14. März 1999 abspalteten; die rechte Zahl die Ebenen, deren Veränderung bereits vor diesem Datum stattgefunden hatte.
Sofort erkannte Frank, was Tristan meinte. Die rechte Zahl wuchs nun in beinahe der gleichen Geschwindigkeit an, wie die linke. Während es Jahre gedauert hatte, 1800 andere Ebenen anzumessen, war die Zahl nun in wenigen Minuten fünfstellig geworden und überschritt vor Franks Augen die 100.000er Marke.
Auch Gothaer realisierte sofort die Bedeutung der Anzeige. Mitten in der Bewegung hielt er inne, dann begann sein Körper zu beben.
Stumm, als wären sie in eine Meditation vertieft, beobachteten sie gemeinsam die stetig höher werdende Zahl.
Marianne brach als erste das Schweigen: »Wir haben neue Ebenen geschaffen.«
»Wir haben Gott gespielt!«, sagte Frank.
»Die Vergangenheit hat sich als unabänderbar erwiesen. Sie ist kein unentdecktes Land«, sagte Tristan; er, der noch vor wenigen Monaten keine fünf Worte ohne zu stottern hervorgebracht hatte, suchte in Gedanken nach passenden Worten und sprach sie leise-bedächtig aus, »ob sie uns gefällt oder nicht. Ob sie von Schmach und Schande unserer Väter und Mütter erzählt oder vom Ruhm und von der Ehre. Sie ist, wie sie ist!«
»Auch wenn wir keine Schuld tragen, wir können uns vor der Verantwortung nicht davonstehlen«, sagte Marianne, »wir müssen mit der Vergangenheit leben, ob sie uns gefällt oder nicht; sie zu verändern, ist nicht unsere Bestimmung. Den Nationalsozialismus 1944 zu bekämpfen, oder 1933, ist unmöglich; nur in der Gegenwart, denn sie ist die einzige Zeit, die zählt.«
»Nur in ihr streuen wir das Saatgut für eine Zukunft der unbegrenzten Freiheit des menschlichen Geistes«, zitierte Frank die Inschrift in der Amerika-Gedenk-Bibliothek.
»Denn hier scheuen wir uns nicht, der Wahrheit auf allen Wegen zu folgen und selbst den Irrtum zu dulden solange Vernunft ihn frei und unbehindert bekämpfen kann«, ergänzte Tristan den Ausspruch Thomas Jeffersons.
»Einen Kampf, den jeder zu jeder Zeit führen muss, tagein, tagaus«, flüsterte Professor Robert Gothaer, gebrochen, in sich zusammengesackt, »ich habe geglaubt, ich könnte ihn umgehen, mit Hilfe der Wissenschaft, mit Hilfe eines Traums, einer Vision. Ich habe keinen Kampf begonnen, sondern einen ausgewachsenen Krieg. Allein gegen das Deutsche Reich. Ich habe
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