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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman
Autoren: Ursula Schroeder
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stellte nunden anfangs von mir vermissten Bezug zu dem Tanz der Raupen und Schmetterlinge her und berichtete eifrig, wie sich die Raupen zunächst satt essen, um sich dann einzuspinnen und schließlich als Schmetterling ihren Kokon zu verlassen.
    »Das ist bestimmt der Bruder von Freund Büdenweis«, raunte ich Henning zu und merkte, wie er leicht vibrierte, sein Lachen aber wieder unter Kontrolle bekam.
    Eigentlich war das Bild vom Aufbruch zu neuen Ufern, von der Eroberung neuer Dimensionen durch den geschlüpften Schmetterling sehr passend für das, was vor den Kindern lag, die bei jeder Bewegung ihre Füße gegen die in den engen Reihen geparkten Schulranzen stießen. Aber es kam bei der Zielgruppe nicht wirklich an. Vielleicht erreichte es einen Teil der besser zuhörenden Eltern, die Kinder jedenfalls hatten keine Chance, den Ausführungen des heiligen Mannes zu folgen, der viel zu komplexe Gedanken in viel zu gedrechselte Sätze packte.
    Kevin hielt sich noch vergleichsweise wacker und war relativ ruhig. Vielleicht, weil ihn viele Erwachsene von den anderen Kindern isolierten, vielleicht, weil er in letzter Zeit vieles erlebt und nicht genug Schlaf bekommen hatte. Aber wir waren alle erleichtert, als der Gottesdienst endlich seinem Ende zusteuerte und die Orgel das Abschlussstück intonierte, das für mich irgendwie klang wie eine Mischung aus einem Kirchenlied und »So ein Tag, so wunderschön wie heute«.
    Wie eine Prozession schritten wir alle sehr feierlich aus der Kirche hinaus und in die Aula der nahe gelegenen Fröbelschule hinein. Aber wenn wir gedacht hatten, der schlimmste Teil läge hinter uns, dann hatten wir uns getäuscht. In der Kirche war dank der hohen Decke noch eine einigermaßen erträgliche Luft gewesen. In der völlig überfüllten Aula verwandelte sich der Sauerstoff schnellerin einen unerträglichen Mief, als die Menschen sich auf ihre Plätze setzen konnten.
    Nun wurden wir von der Schulleiterin begrüßt, danach führte die Klasse 2b einen Tanz auf, zu dem die Akteure als Blumen und Bienen kostümiert waren. Ich befürchtete fast, dass jetzt ein Bezug zum Aufklärungsunterricht hergestellt würde, aber wir erfuhren dann, dass dies das Ergebnis der Projektwoche »Natur und wir« darstellte, die kurz vor den Sommerferien stattgefunden hatte. Das lieferte der Schulleiterin einen Aufhänger, um kurz die Ziele und das Programm der Schule vorzustellen, was vielleicht für die Eltern interessant war, insgesamt aber nicht dazu beitrug, die allgemeine Aufmerksamkeit zu erhöhen.
    Als nächster Programmpunkt wurden Polizeiobermeister Drechsler und sein Hund Kuno angekündigt, die uns etwas zum Thema Verkehrssicherheit vermitteln sollten. Ich spürte regelrecht, wie Maik auf seinem Stuhl unruhig wurde, als der Polizist in seiner Uniform und mit einer hundeähnlichen Handpuppe auf die Bühne stieg. Die Kinder fanden diesen Punkt immerhin sehr unterhaltsam, sie brüllten immer fröhlich »Rot!«, wenn Kuno mal wieder zum falschen Zeitpunkt über die Ampel gehen wollte.
    Dann stellte sich ein Vater vor, der Vorsitzender der Schulpflegschaft war und uns Erwachsene ermutigen wollte, sich in der Schulmitwirkung zu engagieren. Das betraf die Gruppe »Kevin« leider fast komplett nicht (ich konnte mir Maik auch sehr schlecht in einer solchen Sitzung vorstellen), so dass es ein für uns ziemlich irrelevanter Teil der Veranstaltung war.
    Rhetorisch war aber dieser Vater noch um Klassen besser als die Mutter, die als Nächstes für den Förderverein warb. Da hätten wir rein theoretisch natürlich alle Mitgliedwerden können, aber schon die Vorstellung, dieser Frau dann häufiger zu begegnen, konnte einen davon abhalten. Henning blätterte in seinem Kalender. Maik hing inzwischen nur noch mühsam auf seinem Stuhl. Kevin hatte mittlerweile den Platz getauscht und saß nun neben Christoph, der eine ganze Reihe Spiele auf seinem Mobiltelefon hatte und ihm einige davon zeigte.
    Aber dann kam doch noch die Erlösung in Form der Klassenlehrerinnen, die ihre Schüler zu sich riefen und dann mit ihnen in die einzelnen Klassenräume zu einem kurzen Kennenlernen abmarschierten. Die Eltern und Verwandten durften sich derweil in der Pausenhalle einen vom Förderverein zubereiteten Kaffee kaufen oder direkt auf den Schulhof gehen, um dort die nächsten zwanzig Minuten auf ihre Kinder zu warten.
    Wir verloren Maik ziemlich schnell in dem Gedränge (er hatte erleichtert eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche gezogen
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