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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman
Autoren: Ursula Schroeder
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Familienoberhaupt konnte ich mir keine Feier vorstellen.

20
    Am nächsten Morgen fuhr ich so früh zum Hammerweg, dass ich Nuala und Gonzalez noch sah, bevor sie in die Schule gingen. Etwas sehnsüchtig verabschiedeten sie sich, aber es war offenbar nicht vorgesehen, Geschwisterkinder für dieses Großereignis vom Unterricht zu befreien. Nicole hatte sich bereits auf dem Sofa niedergelassen   – vielleicht hatte sie auch dort übernachtet, das konnte ich nicht wissen   – und frönte ihrem Hobby, was sie ja jetzt ganz offiziell durfte. Der wilde Maik war nicht da, und Nicole konnte mir auch keine Auskunft geben, wo er sich befand.
    Ich nahm mir zuerst den AB C-Schützen persönlich vor. Auf mein Geheiß ging er unter die Dusche, zog saubere Sachen an   – ich hatte die blauen Turnschuhe so gut es ging gesäubert und seine besten Sachen für heute versteckt   – und bekam dann ein Brötchen zum Frühstück. Er hatte bereits den Ranzen unter dem Bett hervorgeholt, und ich unterzog ihn einer Grundreinigung. Dann packten wir gemeinsam die vorhandenen Sachen hinein. Kevins Augen leuchteten bei jedem Teil, er war so aufgeregt. Ich beobachtete ihn mit leichten Beklemmungen. Immerhin fing er motiviert an. Aber wie lange würde das halten? Was würde aus ihm werden?
    Als die Schultasche fertig war, holte ich die Schultüte aus dem Flur. Das kleine Gesicht strahlte noch mehr, undich fühlte auf einmal eine ungeheure Dankbarkeit, dass ich wenigstens diesen Moment miterleben konnte. Ich ließ ihn sich mit Schultüte und Ranzen neben Nicole auf das Sofa setzen und zückte meine Digitalkamera für die ersten Fotos seines wichtigen Tages.
    Noch rasch die Küche aufgeräumt   – natürlich hätte man inzwischen schon wieder einen Hausputz einschieben können, aber ich hatte gelernt, großzügig darüber hinwegzusehen   – und dann ging es los. Da ich befürchtete, es könnte um die Kirche herum mit Parkplätzen eng werden, wollte ich kein Risiko eingehen. Der wilde Maik war nicht aufgetaucht, und ich bedauerte das nicht.
    Wir schauten noch kurz bei Hannes vorbei und präsentierten das Schulkind. Hannes war schlechter Laune, weil die Sendung auf sich warten ließ. »Wenn diese Komiker nicht pünktlich sind, dann zerreiß ich sie in der Luft!«, schimpfte er. »Aber ich werde es irgendwie noch möglich machen.«
    Tim und Karlheinz nahmen es gelassener. Sie zwinkerten Kevin zu und meinten, der erste Schultag wäre das Beste an der Schule, von da an ginge es nur noch bergab. »Klar!«, grummelte Hannes. »Bei solchen Schwachmaten wie euch ist das so.«
    Ich schob Kevin wieder zur Tür hinaus, bevor sie noch mehr solcher Sprüche losließen, und setzte ihn hinten in mein Auto, auch wenn ich immer noch keine Sitzerhöhung hatte. Hätte ich gewusst, was auf mich zukam, hätte ich im Kleiderstübchen in Bredenscheid billig eine erwerben können, aber das hatte ich innerhalb dieser kurzen Zeit nun nicht mehr geschafft. Ein bisschen konnte ich mich wieder an die Phase erinnern, als unsere eigenen Kinder in diesem Alter waren, da war ich auch immer so hinterher gewesen.
    Auf dem Platz vor der Kirche war die Hölle los. Jede Menge Familien in unterschiedlichen Konstellationen versammelten sich dort für erste Fotoshoots, Schultüten wurden verglichen und aufgemacht und die entsprechenden Kinder dann ermahnt, das bleiben zu lassen. Kleinere Geschwisterkinder heulten, diverse Omas sahen etwas orientierungslos aus. Einige junge Mütter genossen die Gelegenheit, die neusten Modetrends vorführen zu können, andere machten den Eindruck, als könnten sie jetzt schon in ihren Pumps nicht mehr laufen, und mehrere Väter zerrten bereits missmutig an den ihnen verordneten Hemdkrägen und den ungewohnten Krawatten.
    Kevin streckte die Hand aus. »Da ist mein Papa!«
    Ich erkannte ihn zunächst nicht, denn der Papa hatte sich mächtig fein gemacht. Über einer ziemlich engen Jeans trug er ein zweireihiges Nadelstreifensakko und darunter ein kariertes Hemd. Seine Füße hatte er in ein paar braune Cowboystiefel gesteckt, und zu allem Überfluss hatte er eine riesige hellblaue Schultüte bei sich. Weil er eher untergroß war, wirkte er fast selbst wie ein Schulkind damit, und ich vermutete, dass er genauso aufgeregt war. Das war ja auch für ihn eine Ausnahmesituation.
    Trotzdem war ich nicht besonders begeistert, als er nun auf uns zusteuerte. Inzwischen war ich ziemlich sicher, dass ich ihn in dem Kiosk gesehen hatte, denn er hatte wieder
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