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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Autoren: Tuvia Tenenbom
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wie er es soweit gebracht hat. Von einem seiner Mitarbeiter hörte ich, daß sie hier in der Saison im Durchschnitt 4000 Gäste am Tag haben. Das ist gewaltig. Was ist Ihr Geheimnis, frage ich ihn.
    »Wenn man hierherkommt, spürt man es, aber beschreiben kann ich es nicht …«

    Dieser Seckler spricht wie ein Picasso. Plötzlich zum Künstler geworden?
    Klären Sie mich auf, mein Freund!
    »Ich höre auf meine Gäste. Als sie mir sagten, daß ihnen dieses oder jenes Gericht schmecke, hörte ich auf sie und gab ihnen, wonach sie verlangten. Als sie mir sagten, daß sie T-Shirts wollten, machte ich T-Shirts für sie. Meine Gäste sagen mir, was sie wollen, und ich gebe es ihnen. Das ist sehr wichtig. Und ich höre auf meine Frau. Ich habe nie eine andere Frau gehabt. Wir sind seit 30 Jahren ein Paar. Vielleicht ist das das Geheimnis. Als ich anfing, hatte ich keine Vorstellung davon, daß es mal so werden könnte.«
    Und …?
    »Ich komme aus einer sehr armen Familie. Meine Gäste sind sehr reich. Aber nicht einer von ihnen hat mich je in seinem Testament bedacht. Ich mußte sehr hart arbeiten. Mir hat nie jemand irgend etwas geschenkt.«
    Worin besteht das typische Verhalten eines reichen Gasts?
    »Sie wissen, was guter Service ist. Sie bestellen und beschweren sich nicht – ›wo bleibt mein Essen?‹ –, wenn sie es nicht sofort bekommen. Sie wissen, daß es Zeit braucht. Es ist etwas sehr Deutsches, zu sagen, daß die Armen gut sind und die Reichen schlecht. Aber das stimmt nicht. Ich war arm. Und jetzt bin ich reich.«
    Bedienen Sie hier auch arme Menschen?
    »Sylt ist der schönste Ort Deutschlands. Auf diese Insel kommen keine armen Menschen. Meine Gäste sind reich, schwerreich.«
    Was zeichnet einen guten Geschmack aus?
    »Zwischen einem guten und einem perfekten Geschmack besteht nur ein sehr geringer Unterschied. Ich verfüge über das Talent, Geschmack zu verstehen, aber in Worten ausdrükken kann ich ihn nicht.«
    Was halten Sie von Johannes King? Kennen Sie sein Restaurant?
    »In den letzten 15 Jahren war ich in keinem anderen. Außer vielleicht im McDonald’s. Meine Kinder mögen das.«
    Wie lange haben Sie noch vor, zu arbeiten?
    »Wenn ich hier rausgehe, dann zum Friedhof.«
    Wie denken Sie über das deutsche Volk?
    »Man sollte den Deutschen nicht erlauben, Uniformen zu tragen. Steck einen Deutschen in eine Uniform, und er verändert sich zum schlechtesten. Wir hatten hier einen Mann, der den Eintritt für den Strand kassierte. Er hat hier jahrelang gearbeitet. Ein wirklich netter Typ! Dann entschied man eines Tages, ihm eine Uniform zu verpassen. Er bekam eine Mütze, auf der ›Wache‹ stand. Von dem Augenblick an, als er die auf seinem Kopf hatte, veränderte er sich. Er wurde unverschämt, aggressiv und fing an, Leute herumzuscheuchen. Man hätte ihm nie diese Mütze geben dürfen. Man konnte nicht mehrmit ihm reden. Er war ein netter Typ und verwandelte sich in einen unverschämten Kerl. Das ist ›deutsch‹. Etwas passiert mit uns, sobald wir eine Uniform tragen. Ich kann das nicht erklären.«
    Sie würden bestimmt nie eine Uniform tragen, aber sagen Sie mir, welche Ängste haben Sie? Was quält Sie innerlich?
    »Ich habe Angst, wieder arm zu sein, alles zu verlieren. Früher hatte ich diese Angst jede zweite Nacht, heute nur noch jeden zweiten Monat.«
    Wie gehen Sie damit um?
    »Wenn es passiert, wenn ich nachts eine Panikattacke bekomme, dann stehe ich auf und gehe an meinen Computer. Ich schaue mir die Zahlen an und fühle mich besser …!«
    Dieser Mr. Sansibar weiß, wie man sein Leben genießt. Er raucht zwei bis drei Päckchen filterlose Gauloises am Tag, ist ein starker Cola-light-Trinker und liebt Brot. Er ist übergewichtig, schaut vergnügt aus der Wäsche, ist ständig am Lächeln und wäre eine Idealbesetzung für den Weihnachtsmann im Kaufhaus Macy’s.
    Er lädt mich zum Essen ein. Ich nehme den Nordseesteinbutt, eine Fischmahlzeit von der Größe eines Traktors. Ich glaube, dazu brauche ich eine Flasche Romanée Conti. Bin ich doch neuerdings Kapitalist wider Willen.
    Bevor ich gehe, schenkt mir Herbert noch einen hübschen Pullover. Paßt, genau meine Größe. Klasse.
    Von der Sansibar bis zum örtlichen Supermarkt sind es mit dem Auto zehn Minuten. Der Aufwand lohnt sich. Definitiv.
    In der Gewürzabteilung gibt es ein sehr spezielles Gewürz von gelblicher Farbe. Genauer gesagt, goldlicher. Oder, noch genauer, goldener. Und um absolut genau zu sein,
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