Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Autoren: Tuvia Tenenbom
Vom Netzwerk:
Model. Ich schaue sie an, so ein netter Anblick, und gehe wieder. Ich brauche ein Stück Kuchen. Wollen mal sehen, ob Kampen besseren Kuchen hat als Zgorzelec.
    Die Kellnerin, die mich bedient, hat mehr von einem Model als von einer Kellnerin. Den Küchenmeister sehe ich nicht, wahrscheinlich ist auch er ein Model. Ein großer Meister seines Faches ist er leider nicht. Der Kuchen in Zgorzelec war zweifellos besser.
    Eine 90jährige magere Schönheit sitzt mit ihrem Göttergatten und bestem Freund neben mir.
    Er tut Zucker in seine Latte. In seinem früheren Leben war er Zuckerhändler, deshalb hält er den Zuckerpreis hoch, witzelt er mir zugewandt, wirkt dabei aber ziemlich ernst. Witzig. Ich weiß nicht, warum, aber ich bin der einzige, der hier sitzt und lacht. Die anderen Gäste, die durch die Bank mager und sexy sind, haben alle diesen galligen Gesichtsausdruck.
    Nachdem ich mit dem Kuchen fertig bin, ist es Zeit zum Essen, dem zweiten Teil meiner persönlichen Dreifaltigkeit. Ich treffe mich mit Johannes King, Küchenchef im Hotel-Restaurant Söl’ring Hof. Er zählt mir seine Besitztümer auf: fünf Suiten, zehn Zimmer. Im Schnitt 500 Euro pro Nacht für das Doppelzimmer inklusive Frühstück, Fahrräder, Wellness und Getränke. Der Höchstpreis liegt bei 1000 Euro die Nacht.
    »Rudolph Mooshammer [der verstorbene Modeschöpfer] fragte einmal nach einem Zimmer, wurde aber abschlägig beschieden, weil er seinen Hund Daisy mitbringen wollte.«
    Ein Rolls-Royce aus Monaco verläßt die Hotelanlage, während wir uns unterhalten.
    Wer ist das?
    »Der wollte ein Zimmer für August nächsten Jahres, aber da sind wir schon ausgebucht.«
    Rolls-Royce hat, nebenbei bemerkt, eine Sondervereinbarung mit diesem Etablissement. Sie stellen Johannes einen Wagen zur Verfügung, den seine Gäste nutzen können. Kostenlos. Die Idee ist simpel: Laß die Reichen das Auto erst genießen, dann begehren und am Ende eines kaufen.
    Durchschnittspreis für ein Abendessen hier: 300 Euro pro Person.
    »Für das Restaurant reservieren die Leute vier Wochen im voraus. Wir bringen ihnen bei, wie sie ihr Geld ausgeben sollen.«
    Bislang machen die Menschen, die mir auf Sylt begegnet sind, einen verbitterten Eindruck auf mich. Haben Sie irgendeine Erklärung dafür?
    »Das ist typisch deutsch. Lebensfreude ist nicht unbedingt das, was einem Deutschen ins Gesicht geschrieben steht. Die Brieftasche zählt, das Auto und die Armbanduhr. Sie sind sehr angespannt. Das Auto darf keinen Kratzer haben, der Nachbar keine bessere Uhr, und eine Platinkarte muß es mindestens sein. Wie soll man angesichts dieser drei Grundvoraussetzungen noch Spaß am Leben haben?«
    Einige elegante Frauen flanieren vorbei, perfekte Brustgröße, gertenschlank.
    »Achten Sie auf die Augen der Frauen, und Sie werden verstehen, warum die Männer bitter sind«, fügt er hinzu.
    Unwillkürlich fällt mir der Mann aus der Autostadt ein, der zu mir meinte, seine Frau sei besser als das Auto, weil sie »weicher« ist. Was würde er zu diesen Knochenladies sagen?
    Sind Sie glücklich, Johannes? Sind Sie verheiratet?
    Ist er, aber »kaum je zu Hause«.
    »Ein glücklicher Koch ist ein besserer Koch. Er ist spontaner. Der ernste Koch guckt in einen Topf. Der glückliche Koch guckt überallhin. Der ernste Koch probiert nicht, der glückliche hingegen schon.«
    Essenszeit. Abendessen heute: Schwarzer Kaviar. Jedes kleine Löffelchen: 38 Euro. Vorspeisen, eine Auswahl von: 36 Euro. Hirschrücken mit Trüffeln: 55 Euro. Wein: grenzenlos viele Euros.
    Bedient werde ich von Christina, einer überaus charmanten jungen Frau. Würde sie gerne irgend jemanden hier heiraten?
    »Nein. Die sind mir zu versnobt.«
    Gläser werden gefüllt. Rot, weiß, was immer. Jedes Glas hat eine andere Form.
    Warum unterscheiden sich die Formen, frage ich meine Weinkellnerin, Bärbel.
    Auch sie ist sehr charmant. Jede Kellnerin und jeder Kellner hier ist charmant. Das ist Teil des Erlebnisses. Johannes weiß, wie er seine reichen Gäste verhätschelt.
    »Jeder Wein braucht ein anderes Glas, um seinen Geschmack zu entfalten«, sagt Bärbel.
    Würde derselbe Wein in unterschiedlichen Gläsern unterschiedlich schmecken?
    »Auf jeden Fall.«
    Können wir einen Test machen? Ich verbinde Ihnen die Augen, so daß Sie die Gläser nicht sehen, und dann halte ich sie Ihnen an den Mund –
    »Jetzt?«
    Ja.
    Sie errötet. »Ich bin zu beschäftigt … Vielleicht später.« Ich kann nicht glauben, daß ich das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher