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Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)

Titel: Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise (German Edition)
Autoren: Tuvia Tenenbom
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und das »Nationaler Sozialismus jetzt!«, weil Ihnen sonst die Lust vergehen könnte, das köstliche polnische Essen zu probieren, was wirklich ein Jammer wäre.
    Kommen Sie mit. Ich bin in einem Restaurant auf der anderen Seite des Ufers, in Zgorzelec, Polen. Nur für einen kleinen polnischen Kuchen. Ich komme mit der Bedienung ins Gespräch. Und das über nichts Geringeres als die englische Sprache. Nach einigen Minuten fällt mir auf, daß ich sie so anfasse, wie ich es nur bei einem engen Freund machen würde. Sie macht im übrigen dasselbe bei mir. Als ob wir enge Freunde wären. Und ich weiß nicht einmal ihren Namen.
    Das ist mir auf der anderen Seite des Flusses nie passiert.
    Diese Nähe zwischen Menschen, diese Freundlichkeit, diese grenzenlose und unmittelbare Zuneigung, die Menschlichkeit hat ihren Ort hier und nicht dort.
    Zurück in Görlitz, streife ich noch einmal durch die Straßen und wandere durch Gegenden, in die sich kein Tourist verirrt. So viele leerstehende Gebäude, es fällt schwer, sich das anzuschauen. Es war einmal eine Zeit, da wurden hier Familien gegründet und Kinder aufgezogen; jetzt ist alles Staub.
    Stellen Sie sich vor, Deutschland hätte nie Krieg geführt.
    Stellen Sie sich vor, es hätte den Krieg nie gegeben.
    Stellen Sie sich vor, die Weimarer Republik hätte weiterbestanden.
    Stellen Sie sich vor, Deutschland hätte nicht versucht, mehr Land an sich zu reißen.
    Stellen Sie sich vor, Deutschland wäre noch viel größer, als es schon ist.
    Stellen Sie sich vor.
    Stellen Sie sich vor, Deutschland würde nicht folgen.
    Stellen Sie sich vor, Deutschland würde statt dessen führen.
    Es gibt eine große Synagoge in der Stadt. Ihre Tore sind seit rund 80 Jahren geschlossen. Sie hat mehr von einem Mahnmal als irgend etwas anderes. Für die Menschen, die da waren und starben, und für die, die sie umbrachten.

Kapitel 24   In dem bewiesen wird, daß Ahmadinedschad ein Jude ist
    Ich steige in den Zug nach Norden, zurück nach Hamburg, zu meinem Fixpunkt, wenn ich in Deutschland bin.
    Ein reizendes Paar sitzt in meinem Abteil. Er promoviert in Biotechnologie, sie studiert dasselbe Fach. Er war einmal ihr Lehrer, erzählt sie mir. Jetzt ist er ihr Mann. Sie beide studieren in Deutschland und sind beide Perser. Er stellt sich als Amir vor und sagt etwas Ähnliches wie Farah in Butzbach: daß der Westen rein gar nichts über den Iran weiß. Aber er hat mehr Details parat, die er mir anvertrauen will: Nicht der Präsident, Ahmadinedschad, kontrolliert die Regierung. Woher weiß Amir das? Ganz einfach: »Jeder weiß das.« Jeder? Warum dann nicht auch ich? Nun, ich bin kein Perser. Die Perser, so Amir, wissen, daß die Person auf der Bühne, der Mann, der im Fernsehen auftritt, der Mann, der ständig in den Nachrichten ist, kein Fünkchen Macht besitzt.
    Ist das irgendein Spleen des persischen Volkes?
    »Nein. In den Vereinigten Staaten ist es dasselbe. Nicht der amerikanische Präsident oder der amerikanische Kongreß trifft die Entscheidungen. Sie sind bloß die öffentlichen Gesichter der wirklichen Macht.«
    Wer ist die wirkliche Macht?
    »Die Juden.«
    Amirs Frau, Maryam, ist vollkommen einverstanden. Im Iran, sagt sie, würde man sie »festnehmen und auspeitschen, wenn man mich so in einem Zug erwischen würde«. Ohne Hijab. Und das ist noch nicht alles: Ihr fließendes Haar zeigt sich in seiner ganzen Pracht, auch ihre Hände sind zu sehenund sogar ein kleiner Ausschnitt, in dem Männer, möge Allah uns retten, den Ansatz, Allah behüte, ihrer verführerischen Brüste ausmachen können.
    Sollte natürlich ein Mann versucht sein und sie seinen Avancen nachgeben, dann würde sie »zu Tode gesteinigt. Ein Mann kann mindestens vier Ehefrauen haben, während ich nicht einmal zwei Ehemänner haben kann.«
    Davon abgesehen aber ist nicht alles im Iran so, wie es scheint. »Ahmadinedschad«, sagt Amir, und Maryam stimmt zu, »ist ein guter Freund der Juden.«
    Guter Freund?
    »Ja.«
    Wie das?
    »Ahmadinedschad leugnet den Holocaust. Warum tut er das? Weiß er etwa nicht, daß er wirklich stattgefunden hat? Jeder weiß das. Aber weil so viele den Holocaust leugnen, will Ahmadinedschad sicherstellen, daß die Menschen ihn nicht vergessen. Nur deshalb rückt er dieses Thema immer wieder in den Vordergrund. Seine vermeintliche Leugnung des Holocaust zwingt die Leute dazu, immer wieder zu beweisen, daß es ihn doch gegeben hat. Gibt es eine bessere Möglichkeit, die Erinnerung an den
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