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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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Großstadtbewohner. Als ich einige Zeit später mit einer Freundin aus New York City sprach, erfuhr ich, daß sie im dritten Stock ihrer Nobelwohnung gestürzt war und den Arm schlimm gebrochen hatte. Es dauerte volle drei Stunden, ehe es ihr in einer der größten Städte der Welt gelang, einen Krankenwagen zu mobilisieren, der sie ins Spital brachte.
    Die Moral von der Geschieht’: Ich kaufte mir einige medizinische Nachschlagewerke und eine gutsortierte Hausapotheke. Vor allem aber absolvierte ich eine Grundausbildung in medizinischer Unfallhilfe, die einundachtzig Stunden theoretischen Unterricht und Arbeit in einer Ambulanz umfaßte. Und ich bin jetzt sehr, sehr vorsichtig bei allem, was ich in der Hütte und im Wald tue.

17
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Die Entscheidung

    Es war ein heißer, sonniger Junitag, als Nick an der Lände eintraf. Er kam mit Verspätung, war müde und seltsam einsilbig. Die Kriebelmücken schwärmten, und deshalb gingen wir trotz des schönen Wetters gleich in die Hütte. Nick setzte sich im Studio in den Schaukelstuhl, während ich in der Küche Tee machte.
    »Na, gibt’s bald Schulferien?« fragte ich.
    »Ja, bald«, antwortete er wie aus großer Entfernung.
    »Wie war die Fahrt? Viele Touristen unterwegs?«
    »Es ging.«
    »Kannst du diesmal ein paar Tage länger bleiben, Schatz?« fragte ich hoffnungsvoll.
    »Ich glaube nicht. Ich habe eine Menge Korrespondenz aufzuarbeiten.«
    »Kannst du das nicht hier machen?« bat ich und trug ein Tablett mit Tassen und Plätzchen, Zitrone und Zucker nach drinnen. Ich stellte es neben Nick ab und sah einen Luftpostbrief in seinem Schoß liegen. Ich goß Tee ein, gab ihm eine Tasse und setzte mich mit meiner Tasse in den Schreibtischstuhl.
    »Möchtest du ihn vielleicht lieber mit Eis?«
    »Nein, danke. Das tut gut. Genau das richtige zur Entspannung. Ich bin ein bißchen durcheinander.«
    »Was ist los, Nick?«
    »Dieser Brief hier«, sagte er zögernd. Er war nicht der Mann, mit Dingen hinter dem Berge zu halten, und so händigte er mir den Umschlag aus. Er trug einen Poststempel aus Alaska. »Man bietet mir eine Stellung als Lehrer in Anchorage an.«
    Ich saß sehr still, Herz und Hirn plötzlich voll wirbelnder Gefühle.
    »Ich habe schon immer in Alaska leben wollen. Zeit meines Lebens wollte ich so nah am Polarkreis sein wie möglich. Und jetzt kommt auf einmal das hier.« Verwunderung klang aus seiner Stimme.
    »Wann geht es denn los?« fragte ich leise.
    »Der Job beginnt im September. Ende August müßte ich dort sein. Gerade genug Zeit, um zu kündigen, alles abzuwickeln und raufzufahren.«
    »Hast du mit der Schule schon darüber gesprochen?«
    »Nein, ich wollte es zuerst dir sagen«, erwiderte er. »Kein Mensch weiß es bisher.« Vor lauter Anspannung verkrampfte sich sein sonst so geschmeidiger Körper. Seine Augen hatten sich verdunkelt und waren fast braun geworden.
    Schwermütige Stille erfüllte die Hütte. Draußen vor dem Küchenfenster hörte ich den Balzgesang von Hemlockwaldsängern, ihr sorgloses und lässiges Tirilieren. Sie hatten keine Entscheidungen zu treffen, brauchten nur ihren Naturinstinkten und hormonellen Impulsen zu folgen. Mein Geist schwang sich auf einen Zweig im Balsamtannenwald und setzte sich neben die Vögel, als wollte er dem Dilemma in der Hütte entfliehen.
    »Ich wollte wissen, ob du mit mir kommen würdest«, sagte Nick rauh.
    Da war die Frage. Nick hatte die Zukunft, offen und schonungslos, in meine Hand gelegt. Sollte ich mit dem Mann gehen, den ich liebte, die Hütte und die Adirondacks verlassen und in einem fernen nördlichen Land ein völlig neues Leben anfangen, gegründet auf seine Berufskarriere? Oder sollte ich allein hierbleiben in dem Heim, das ich mir eingerichtet hatte, in den Bergen, die ich liebte, bei dem Beruf, den ich mir aufgebaut hatte?
    »Nun?«
    Ich konnte nicht antworten. Ich starrte auf die Wand aus Baumstämmen, wo die Sonne Lichter malte. Ich hörte das leise Rascheln der Borkenkäfer unter der Rinde. Ich schaute auf die Buchregale, Mapuches Pelz, meine Navajoteppiche. Plötzlich spürte ich den brennenden Drang, hinauszulaufen und irgend etwas zu tun.
    Halb entschuldigend, halb provokativ öffnete Nick den Umschlag, beugte sich vor und legte mir den Brief auf den Tisch. »Hier, lies ihn, Anne. Wir würden Zeit haben, das Hinterland zu erforschen. Zwei Monate frei im Sommer und lange Weihnachtsferien. Mensch, ich wollte immer schon dorthin, ins Hinterland, im Winter mit dem
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