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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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See zu schwimmen. Wie entspannend, am prasselnden Ofen im Schaukelstuhl zu sitzen, lesend oder durch das Panoramafenster einen kathedralglasfarbenen herbstlichen Sonnenuntergang beobachtend. Wie gemütlich, sich in eiskalten Winternächten unter die weichen Decken meiner Schlafkoje zu kuscheln. Und wie berauschend, im Morgengrauen vom Duft des Frühlings und vom Gesang der Pieper geweckt zu werden.
    Doch um ganz ehrlich zu sein: Mein Abstecher in die Stadt war gewinnbringend gewesen. Erfolgsgeschwellt kam ich heim, denn ich hatte gute Arbeit geleistet, hübsch Geld verdient und exzellente Kontakte geknüpft. Zwar war das Stadtleben auf die Dauer nichts für mich, aber ich merkte, daß ein gewisses Maß an Stadtkontakt für mich doch notwendig geworden war, damit mein Leben nicht zu einseitig wurde. Die Stadt (egal welche) bietet doch viele kulturelle und geistige Reize und Anregungen. Sie bietet berufliche Chancen und Herausforderungen und interessante neue Bekanntschaften. Sie hat eine Dynamik und eine Energie, die den Lebenskräften des Waldes genau entgegengesetzt ist.
    Dennoch bleibt die Hütte der Born, die Quelle, der Mittelpunkt meiner Existenz. Sie gibt mir Ruhe, Nähe zur Natur und zu Wildtieren, Gesundheit und Fitneß, ein Gefühl der Geborgenheit, Entfaltungsspielraum für Ideen, Reflexionen, schöpferisches Denken. Gleichwohl war mein Leben hier nie idyllisch und wird es nie sein. Dazu ist die Natur zu anspruchsvoll. Sie zwingt einen zu immerwährenden Reaktionen. Ich muß mich ihren Veränderungen anpassen — dem Wechsel der Jahreszeiten, den Launen des Wetters, den Verschleißerscheinungen an Haus und Land, den Anforderungen an meinen Körper, den starken Sinneseindrücken. Trotz dieser Beanspruchung verbindet mich mit der Natur, mit dem Leben selbst ein Gefühl der Kontinuität, der Zufriedenheit und der Harmonie, hier in meiner Welt der hochgewachsenen Kiefern und klaren Seen, der Flughörnchen, unwegsamen Berge, Ochsenfrösche, Kriebelmücken und Waldlilien.
    Manchmal, wenn mich nachts in meiner stillen Koje irgendein Problem nicht schlafen läßt, stehe ich auf, wecke den Hund und lasse mich im Guideboot auf den See hinausgleiten. Dort, auf der sternenbesäten Oberfläche des Black Bear Lake, durchtränkt mich langsam die geordnete Güte unserer Erde, ihr leises, unerbittliches Hindrängen auf Ausgleich, Regelmäßigkeit, Übereinstimmung. Dies saugt sich in meine Seele, so sicher wie Wasser in Moos. Bestimmt arbeitet der ganze Kosmos nach diesem Prinzip.
    Gewiß, manche Bäume werden vom Sturm gestürzt, manche Sterne brennen aus, manche Menschen erleiden furchtbare Schicksalsschläge. Aber der Wald bleibt; die Sterne funkeln weiter, und die Menschen fahren fort, sich zu mühen und zu bestreben.
    Unter dem Nachthimmel treibend, glaube und hoffe ich, daß ich den Stürmen trotzen kann, die meines Weges kommen. Und daß diese Prüfungen mir Tiefe und Reife geben, so daß ich im Alter wie meine Wey-moutskiefern werden kann — würdige, schöne Bäume, die kraftvoll und ruhig ihr Haupt hochtragen in Sturm und Sonnenschein, in Schnee und Schwalbengeschwirr.

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Epilog

    Manchmal sitze ich in meinem Blockhaus wie in einem Kokon, abgeschirmt von der Außenwelt hinter wiegenden Kiefern. Abgeschirmt von Verkehr und Lärm und Trunkenheit und Dreiecksverhältnissen und Umweltverschmutzung. Das Leben scheint keinen Anfang und kein Ende zu kennen. Nur das stete Wachsen von Stamm und Wurzel, die langsame Ablagerung von Humus und Schutt, das Plätschern des Wassers, ehe es zu Eis erstarrt, das Trommeln der Regentropfen, ehe sie zu Schneeflocken werden.
    Dann erinnert mich das Tschilpen einer Schwalbe, die über den See huscht, daß... es immer einen neuen Anfang gibt.
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