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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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Heulende Krankenwagen-, Feuerwehrund Polizeisirenen. Beständig war das dumpfe Brausen fernen Verkehrslärms zu hören, gelegentlich übertönt von Lastzügen, die drei Blocks entfernt auf der M-Street vorbeidonnerten. Ich lag stundenlang wach, drehte mich von einer Seite auf die andere und sehnte mich nach meiner breiten festen Matratze in der wohlriechenden Schlafkoje meiner Hütte, wo vor dem Fenster der Wind durch die Tannen strich.
    Am nächsten Morgen erzählte ich Sally und Loren von meinem nächtlichen Abenteuer. Sie blieben ungerührt.
    »Das kommt hier oft vor«, sagte Loren und füllte Wasser aus einer 3,8-Liter-Plastikflasche in den Kaffeekessel.
    »Letzte Woche erst«, setzte Sally nüchtern hinzu, »wurde eine gute Freundin von uns nur sechs Blocks entfernt im Waschkeller ihres Apartmenthauses vergewaltigt und fast umgebracht.«
    Mir schauderte.
    »Du mußt uns versprechen, daß du ganz vorsichtig bist, solange du hier bist«, warnte Loren und stöpselte die Schnur des Kaffeekessels ein. »Geh nie spätabends auf die Straße, auch nicht mit deinem Monsterhund. Jemand könnte erst den Hund erschießen und dann dich angreifen.«
    Ich erstarrte in meinem Sessel und begann mich zu fragen, ob ich nicht einen großen Fehler begangen hatte, hierher zu kommen, trotz der Vorteile und Kontakte, die der Job bot. Nachdenklich sah ich Sally zu, wie sie Kaffee eingoß.
    »Riecht ja herrlich. Sag mal, warum hast du eigentlich kein Leitungswasser für den Kaffee genommen, Loren?« fragte ich neugierig.
    »Das Wasser ist so stark gechlort, daß Kaffee damit absolut ungenießbar wird«, erwiderte er. »Hier, versuch mal ein Glas.«
    »Der reinste Chlor-Cocktail«, sprudelte ich und setzte das Glas hastig ab. »Warum habe ich nicht daran gedacht, ein paar Flaschen Wasser vom Black Bear Lake mitzubringen?«
    »In der Plastikflasche hier ist Quellwasser«, sagte Sally. »Wir kaufen es im Supermarkt.«
    Ich nahm die Flasche und las das Preisetikett. »Neunundsiebzig Cents?« staunte ich. »Neunundsiebzig Cents für knapp vier Liter!« Eine schnelle Überschlagsrechnung. »Du lieber Gott! Hätte ich dreißig Flaschen vom Black Bear Lake mitgebracht, hätte ich die ganzen Fahrtkosten wieder rausgehabt; Benzin, Öl und Straßengebühren.«
    »Mach das doch nächstesmal«, lachte Loren. »Und bring gleich noch ein bißchen Feuerholz mit. Hier unten müssen wir für das Klafter fünfundneunzig Dollar bezahlen.«
    »Fünfundneunzig Dollar!« Neue Verblüffung. »Bei uns ist es gratis. Man muß nur ein bißchen Muskelkraft und Schweiß investieren, um es zu schlagen. Allerhöchstens werden bei Verkäufen fünfzehn, zwanzig Dollar verlangt.«
    »So ist nun mal leider das Stadtleben«, seufzte Sally. »Washington gehört zu den teuersten Pflastern der USA.«
    »Und zu den schmutzigsten«, setzte Loren fort und strich mit dem Finger über das Fensterbrett. »Von achtzehn Städten, die in einer Studie untersucht wurden, hatte Washington die höchsten Luftverschmutzungswerte.«
    Wie teuer es hier war, stellte ich bald beim Einkaufen mit Sally fest. Die Lebensmittelpreise im Supermarkt schienen mir exorbitant, auch an Hochsaisonpreisen in den Adirondacks gemessen. Und die Läden waren meistens brechend voll, wenn Sally nach Dienstschluß und am Samstag einkaufen ging. Oft nahm sie, um rasch aus dem Gedränge wieder herauszukommen, aus lauter Verzweiflung nur einen Stapel TV-Dinners, Tiefkühlpizzas oder ein präpariertes Brathähnchen. Das Essen schmeckte schrecklich künstlich, war reine Retortenkost. Sehnsüchtig dachte ich an das frische Wildbret, das ich in der Jagdzeit immer bekam, und an das leckere Biberfleisch, das mir die Trapper, die nur die Pelze wollten, umsonst überließen.
    Eines Tages hörte ich Sally und Loren über die Steuern streiten.
    »Was zahlt ihr denn an Grundsteuern?« wollte ich wissen.
    Zu meinem Erstaunen lag die Taxe doppelt so hoch wie diejenige, die ich für meine neun Hektar Wald entrichtete. Und dabei war ihr »Hof« nicht größer als mein 3,70 Meter im Quadrat messendes Blockhütten-Studio.
    Ein weiterer Unterschied, der in den ersten Tagen ins Auge sprang: die Autos, besonders diejenigen, die auf den Straßen von Georgetown parkten. Mein Kombi wirkte neben dem blitzblanken Mercedes meiner Gastgeber, neben den Jaguars, Corvettes, Triumphs, den gepflegten Kompaktwagen und den hochherrschaftlichen Cadillacs und Lincolns richtig schäbig.
    Eines Morgens entdeckte ich an meiner Windschutzscheibe einen
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