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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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Sauerstoffgerät, einer Krankenschwester und einem Erste-Hilfe-Fachmann gelandet, die für solche Fälle bestens ausgebildet waren. Für den Mann allerdings kam jede Hilfe zu spät. Es war nicht sein erster Herzinfarkt, aber es war sein letzter. Eine Stunde später wurde seine Leiche mit der Maschine ausgeflogen.
    Mein nächster medizinischer Notfall passierte ein Jahr später, bei den Wintervorbereitungen. Ich hatte einen Studenten engagiert, Alan, der mir eine Woche lang helfen sollte, Holz zu stapeln, Ritzen abzudichten, Sturmfenster einzubauen und das Ofenrohr zu reinigen. Er war oben auf dem Dach und setzte gerade das Ofenrohr wieder zusammen, und ich reichte ihm von unten frisch gesäuberte Teilstücke hinauf. Da das letzte Reststück zu kurz war, als daß er es greifen konnte, lehnte ich eine kurze Leiter an die Dachkante und kletterte ein paar Sprossen hinauf, um es ihm zu reichen. Fahrlässigerweise hatte ich den Leiterfuß nicht abgesichert. Die Leiter rutschte prompt unter mir weg, und statt daß ich mich nach innen aufs Verandageländer fallen ließ, schnappte ich mit der linken Hand nach der metallenen Dachkante. Dies hielt meinen Sturz auf, aber meine Finger waren bis auf die Knochen eingeschnitten. Dreck und Farbpartikel steckten in den Wunden. Beim Gedanken, es könnten Sehnen durchtrennt sein, packte mich sofort Panik.
    Alan kletterte vom Dach und rannte in die Hütte, wo ich meine Hand unter den Kaltwasserhahn hielt. Die Spüle war rot vor Blut. Alan wurde es schlecht. Ich hatte heftige Schmerzen und konnte — was mir noch mehr Angst machte — die Finger nicht mehr geradebiegen. Schließlich erholte sich Alan so weit, daß er meine Hand mit einem Badetuch verbinden und mich zum Boot hinunterführen konnte. Er startete den Motor und fuhr mich nach Lake Serene. Dafür, daß er nie einen Außenborder bedient und keinen Führerschein hatte, machte er seine Sache glänzend.
    Binnen zehn Minuten war im Sanitätsposten ein Arzt zur Stelle, und ich lag in dem kleinen Behandlungsraum. Wieder Glück gehabt: keine Sehnen zerschnitten, kein Knochen gebrochen. Immerhin mußte die Hand mit zwanzig Stichen genäht werden, und ich trug eine schwere Infektion, eine Gefühllosigkeit im kleinen Finger und ein chronisches Mißtrauen gegen Leitern davon.
    Mein dritter und schwerster Unfall erwischte mich, als ich allein war. Es war Frühherbst, und das Laub leuchtete an den Bäumen. Als Illustration für einen Artikel, den ich schrieb, wollte ich ein besonders schönes Foto, das die ganze Pracht des Adirondack-Herbstes wiedergab. Ich brauchte Kanadagänse, die bei Sonnenaufgang auf einem dunstigen See schwammen, Nebelsträhnen vor buntfarbig belaubter, hoher Bergkulisse und im Vordergrund, als Rahmen, die Silhouette von ein, zwei Balsamtannen. Ich kannte genau die richtige Stelle, an der man ein solches Foto machen konnte. Als es nach langen Regentagen endlich aufhellte, fuhr ich mit dem Hund fort, um dort zu kampieren. Wir schliefen auf der Ladefläche des Wagens. Leises melodisches Schnattern weckte uns: ein Zeichen, daß die Gänse noch da waren. Über einen alten Holzfällerweg fuhr ich zu dem See und parkte an der Kante des Steilufers.
    Zwei Kameras mit Teleobjektiv an gekreuzten Riemen über die Schulter geschlungen, machte ich vorsichtig die Tür auf und kletterte aufs Trittbrett hinaus, ganz langsam, um die Vögel nicht aufzuscheuchen. Ich gebot Pitzi, still zu sein, und griff, um mich festzuhalten, nach oben aufs Wagendach. Die Nacht war kalt gewesen. Rauhreif überzog Gräser, Büsche und das Blech meines Autos. Daran hatte ich nicht gedacht, und so rutschte ich am eiskalten, schlüpfrigen Metall ab, verlor den Halt und stürzte, mich drehend, vom Wagen und die ganze Uferböschung hinunter.
    Vier, fünf Meter tief muß der Sturz gewesen sein, denn es verschlug mir im wahrsten Sinn den Atem. Stöhnend rang ich nach Luft. Irgend etwas zwischen meinen Hüften fühlte sich zerquetscht an. Es gelang mir, mich auf die Seite zu drehen, in eine weniger schmerzhafte Lage. Nach ungefähr fünfzehn Minuten atmete ich wieder normal und dachte, vielleicht schaffst du es, bis zum Auto zu kriechen und einzusteigen. Aber der Schmerz war zu stark. Ich konnte mich lediglich ein bißchen nach oben hangeln, so daß ich von der Straße aus zu sehen war. Dann fiel ich in einen Schockzustand. Ironischerweise hielt Pitzi das alles für ein Spiel und bellte und tanzte um mich herum.
    Der Ernst der Lage war beängstigend. Ich befand
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