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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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mich ungefähr acht Kilometer vom nächsten Haus an einem selten befahrenen Waldweg, lag hilflos auf der Erde, bei einer Temperatur um den Gefrierpunkt. Niemand wußte, wo ich war. Ich hatte eines der Hauptgebote der Wälder gebrochen: Sage immer jemandem Bescheid, wo du hingehst und wann du ungefähr zurückkommst.
    Eine Stunde verging. Dann hörte ich das leise Summen eines Motors. Ein Wildhüter, der wunderbarerweise hier Patrouille fuhr. Die Bärenjagdzeit stand an, und er hielt nach Jägern Ausschau. Er erblickte den Wagen, dann den Hund, dann mich. Als er mich zittern sah, wollte er mich gleich aufheben und in seinen warmen Wagen tragen. Aber irgendein Instinkt warnte mich. Ich bat ihn, mich nicht zu bewegen. Zähneklappernd stieß ich hervor: »Holen Sie mir bitte meinen Schlafsack und den Rucksack aus dem Wagen.«
    Er deckte mich zu und stellte den Rucksack neben mich. Ich wühlte in einer Seitentasche herum und hoffte, daß die beiden Fläschchen Morphium und Demarol, übriggeblieben von einer langen Wanderung im letzten Jahr, noch da waren. Sie waren noch da.
    »Geben Sie mir Wasser«, stöhnte ich.
    »Sie werden kein Morphium nehmen«, warnte er, »solange ich nicht weiß, was Ihnen fehlt. Bei Rücken- und Kopfverletzungen ist es reines Gift.«
    Er kniete nieder und schnürte mir vorsichtig die Stiefel auf. Nachdem er sie mir behutsam ausgezogen hatte, bat er mich, die Zehen zu bewegen. Ich tat es.
    »Na, das ist ein gutes Zeichen«, sagte er und stellte die Stiefel auf die Erde. »Ich glaube, Ihr Rücken ist in Ordnung. Aber um sicherzugehen, nehmen Sie statt Morphium ein paar Demarol.«
    Ich nahm drei und wartete ab, ob der Schmerz nachließ. Mein Retter stand einen Augenblick unschlüssig und überdachte die Situation.
    »Ich muß Sie jetzt eine Zeitlang alleinlassen«, waren seine nächsten Worte, »und jemanden finden, der mir hilft, Sie mit einer Art Tragbahre hochzuheben.»
    Ich hatte zwar Angst davor, wieder allein zu sein, aber ich nickte, da ihm gar nichts anderes übrigblieb. Nach einer Dreiviertelstunde kam er mit zwei Männern und einer Holztür zurück. Langsam ließen sie mich auf die harte Oberfläche kriechen, hoben sie dann hoch und schoben die Tür auf die Ladefläche meines Wagens. Einer der Männer fuhr, während der Wildhüter neben mir kniete und mich, so gut es ging, gegen die Stöße und Schaukelei abzuschirmen versuchte. Es war die schlimmste Fahrt, die ich je mitmachte. Zum Glück hatte man per Funk einen Krankenwagen gerufen. Unterwegs begegneten wir ihm. Ich wurde — immer noch auf der improvisierten Trage — in den Krankenwagen geschoben, denn ich erlaubte immer noch niemandem, mich zu bewegen. Dann ging’s ab, zum hundertdreißig Kilometer entfernten Krankenhaus.
    Vom Zeitpunkt, da ich gefunden wurde, bis zur Ankunft in der Klinik verstrichen nur dreieinhalb Stunden. Es war ein außerordentlich schneller, fachmännischer und im wahrsten Sinne entgegenkommender Abtransport. Im Krankenhaus sagte man mir, ich hätte auf der linken Seite Becken- und Rippenbrüche. Es sei klug gewesen, mich nicht unnötig bewegen und rütteln zu lassen.
    Allerdings waren mein Wagen, der Hund, die 2 000-Dollar-Kameraausrüstung (unbeschädigt übrigens), Schlafsack, Rucksack und Stiefel an der Unfallstelle zurückgeblieben. Die Männer, die mich gerettet hatten, gingen zurück und bargen alles. Einer nahm den Hund, bis er bei Freunden untergebracht werden konnte. Ein anderer kümmerte sich, bis ich wieder fahren konnte, um den Wagen. Der Wildhüter sammelte meine Siebensachen und schloß sie ein, bis ich wieder nach Hause zurückkehren konnte. Ohne den Beistand dieser wunderbaren Leute wäre ich rettungslos verloren gewesen.
    Aus all diesen Mißgeschicken entwickelte sich eine Überlebens-Philosophie. Ich glaube nach wie vor, daß es ungefährlicher ist, im Wald zu leben und Unfälle und plötzliche Erkrankungen zu riskieren, als in der Stadt zu leben, wo man Überfällen, Räubereien, Vergewaltigungen, Belästigungen und chaotischen Verkehrsverhältnissen ausgesetzt ist. Daß ich mir mit der Axt in den Fuß schlage, halte ich statistisch für weniger wahrscheinlich, als auf einer Stadtstraße hinterrücks erstochen zu werden. Auch glaube ich, daß wir in den Adirondacks mit unseren freiwilligen Krankenwagen, Wasserflugzeugen, Schneemobil-Rettungsschlitten, Suchmannschaften, CB-Funkgeräten, engagierten Ärzten und Erste-Hilfe-Männern medizinisch besser versorgt sind als jeder
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