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Sieh mich an, Al Sony

Sieh mich an, Al Sony

Titel: Sieh mich an, Al Sony
Autoren: Denise Danks
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  Charlie East lud mich zu einem Wochenende in Las Vegas ein und kreuzte erst auf, als ich bereits die Maschine zum Heimflug bestieg. Zu spät kam er außerdem, zerknittert und zerzaust, und er grinste .ein bißchen irre, als er zwischen silbernen Palmen durch die glasumschlossene, neonbeleuchtete Lounge des McCarran Airport auf mich zukam, des einzigen Casinos der Welt, in dem es Gepäckbänder gibt. Er packte mich am Ellenbogen und strebte eilig dem Gate zu.
    »Du hast hoffentlich eine gute Ausrede«, sagte ich.
    »Eine verdammt gute, Blümchen, aber ich kann im Moment nicht darüber reden.«
    »Wann immer es dir paßt, Charlie, wann immer es dir paßt. Aber vergiß nicht, daß deine Zeit womöglich verdammt knapp ist.«
    Ich hatte guten Grund, sauer zu sein. Charlie hatte mich nicht nur sitzenlassen, er hatte außerdem dafür gesorgt, daß ich nicht viel Schlaf bekommen hatte. Er hatte mich zweimal angerufen, seit ich nach Las Vegas gekommen war, beide Male sehr früh am Sonntag morgen und anderthalb Tage zu spät. Beim ersten Mal hatte seine Stimme ganz geschäftsmäßig geklungen.
    »Hallo, George, ich bin’s. Schon wach?«
    »Was glaubst du?«
    »Was kosten Drams auf dem Spotmarkt?«
    »Ungefähr fünfzig Dollar.«
    Das war’s gewesen. Keine Entschuldigung, kein »Wie geht’s?«, kein »Bis später«. Einfach aufgelegt. Ich bugsierte den Hörer wieder auf die Gabel und kuschelte mich in mein bonbonrosa Kopfkissen. Sekunden später stützte ich mich auf einen Ellbogen und starrte im dunklen Zimmer umher. Dann knipste ich die Nachttischlampe an und fragte mich, ob das Telefon tatsächlich geklingelt und ich wirklich telefoniert hatte. Drams. DRAM bedeutet Dynamic Random Access Memory. Speicherchips. Das hatte er gesagt. Wenn ich wach gewesen wäre, hätte ich gesagt: »Kommt drauf an«, und ich hätte ihm erklärt, wieso; aber vorher hätte ich ihm erzählt, wie toll ich mich so allein amüsierte, und danke der Nachfrage. Ich konnte nicht wieder einschlafen, weil ich mir überlegte, was ich alles hätte sagen können, und weshalb er wohl gesagt hatte, was er da gesagt hatte. Und was noch schlimmer war: Ich hatte keine Zigaretten, nicht mal eine für Notfälle. Es war zwei Monate her, daß ich das Rauchen aufgegeben hatte. Ich rauchte jetzt nur, wenn Shinichro mich aufforderte, und natürlich, wenn ich trank, aber das hatte ich auch aufgegeben. Mehr oder weniger.
    Eigentlich hatte ich in Kalifornien bleiben wollen, vielleicht nach Disneyland fahren, dann hinauf nach San Francisco, aber Charlie hatte gesagt, es gehe nichts über Las Vegas. Er hatte uns ein Zimmer im Bally’s besorgt, einem eleganten Ozeandampfer von Hotel am Strip, gegenüber dem Cesars Palace. Es war ein Zimmer mit zwei Doppelbetten, eins für jeden — keine große Sache, denn wir hatten nichts Intimes im Sinn; wir waren gute Freunde, und so war es billiger. Also hatte Charlie alles arrangiert, und ich war ostwärts übers Death Valley geflogen, um mich mit ihm zu treffen, aber er war nicht am McCarran Airport gewesen, um mich abzuholen. Über eine Stunde hatte ich auf ihn gewartet, während geflöteter Sinatra und das Geklapper der einarmigen Banditen meine Psyche bearbeiteten. Als ich ins Hotel kam, war mein Bargeldvorrat bereits um dreißig Dollar erleichtert, und als ich eincheckte, hallte mir die metallische Musik von eintausend Spielautomaten in den Ohren und lockte mich in das mit üppigen Teppichen ausgelegte Rund von funkelnden Lichtern, rotierenden Scheiben und umlagerten Tischen. Das Bally’s war eine kühle, hallenartige, zeitlose Zone, in der es weder Tag noch Nacht gab. Ich mußte auf die Uhr sehen, um mich zu orientieren. Erst elf Uhr vormittags. Ich duschte, ich schwamm eine Runde im Pool, ich duschte noch mal, aß etwas, schlief — aber immer noch kein Anzeichen von Charlie.
    Zum Abendessen war er noch immer nicht aufgekreuzt, und allmählich wurde ich wütend. Ich hinterließ ihm eine kurze Nachricht an der Rezeption, aber als ich aus dem Gewimmel des klimatisierten Foyers auf die sechsspurige Zufahrt und in die Hochofenhitze des Wüstenabends hinaustrat, wurde mir meine schlechte Laune von einem Schwall von elektrifiziertem Neon ausgetrieben. Es war, als habe der Zauberlehrling hier die Nachtschicht übernommen, aber mit dem Auftrag, bei der Sache zu bleiben. Grundfarben fluteten in die Höhe, strebten auseinander und beleuchteten den schwarzen Himmel mit hellen, marktschreierischen, flackernden Einladungen in die
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